Zur Feier der letzten Aufführung von "Flasche leer" gab´s am KJT immerhin ein paar Gläser Sekt.
Heute hat unser Klassenzimmerstück "Flasche leer" mit seiner sage und schreibe 225. Aufführung Derniere gefeiert! Als Hommage an die Produktion und an den Schauspieler habe ich einen Zeitungsartikel verfasst, der viiiiel zu lang für die Veröffentlichung in der Presse ist und in dessen Genuss deshalb nun ihr kommt:
Trapattoni kennen immer weniger
225 Mal ist LTT-Schauspieler Rupert Hausner in den vergangenen 8 Jahren torkelnd in Klassenzimmer der Tübinger Umgebung gestürzt. 225 Mal hat er eine Flasche „Whiskey“ innerhalb von einer Schulstunde geleert. 225 Mal hat er einen Schauspieler gemimt, der durch Alkoholismus immer weiter abrutscht und von einem Engagement am Berliner Ensemble über verschiedene Stationen zu dem Punkt gelangt ist, nur mehr ein einziges Stück spielen zu dürfen – ausgerechnet über das Drama seines Lebens: den Alkohol. Am Dienstag hatte die Produktion „Flasche leer“ Derniere, die die Zuschauer zu Mitwissern eines Alkoholikers macht. Damit geht nach acht Jahren zahlreicher Aufführungen fast schon eine Ära zu Ende.
Ein paar kleine Runzeln hat das Stück im Laufe der Zeit bekommen: „Giovanni Trapattoni kennen immer weniger Jugendliche“, lächelt Rupert Hausner. Von der legendären Tirade des ehemaligen FC Bayern-Trainers stammt der Titel „Flasche leer“. „Aber da lachen mittlerweile fast nur noch die Lehrer drüber.“ Auch mit den eingeflochtenen Bezügen zu Goethes und Schillers Werken scheinen die Schüler zunehmend Schwierigkeiten zu haben. „Wenn ich erzähle, dass ich den Wagner in Goethes >Faust< spielen sollte, gibt´s Reaktionen wie: >Wer ist das denn? Wagner ist ´ne Pizza<. Das ist die Realität der Kinder.“ Obwohl dem ein oder anderen Hausner zufolge durchaus bewusst ist, „dass Goethe doch kein Fußballspieler war“.
Doch auch nach acht Jahren hat das Thema der Produktion unverändert gesellschaftliche Relevanz. „Das wird wahrscheinlich nie vom Tisch sein“, sagt Rupert Hausner. „Viele Drogen sind verboten, das wird gar nicht groß diskutiert. Nur: Alkohol und Nikotin sind auch Drogen. Die sind legal. Also muss man damit leben und damit umgehen. Ich fand immer spannend, Kindern das zu vermitteln. Ohne moralischen Zeigefinger, eher so: >Hey, es ist euer Leben. Macht was draus und genießt auch, was zu genießen ist – aber es ist nicht so ganz ungefährlich<.“ Alkoholismus sei ebenso ein Dauerthema wie Fußball, stellt der Schauspieler fest und lacht: „Deshalb ist die Verbindung auch so gut“. Er hat jedoch den Eindruck, dass Kinder weniger mit Alkohol in Berührung kommen als noch vor einigen Jahren. Auch, weil es immer schwieriger werde, welchen zu erwerben, und weil an Schulen viel zur Suchtprävention getan werde.
Für Rupert Hausner selbst bedeutet die Derniere von „Flasche leer“ auch einen künstlerischen Schnitt. „Jetzt ist was zu Ende. Jetzt muss ich was Neues machen.“ Fast ein ganzes Jahrzehnt über hat ihn die Figur begleitet und sogar seinen Alltag beeinflusst: „Ich war dann immer unrasiert und hatte zurückgegelte Haare, die habe ich manchmal privat so gelassen. Auch manche Textstellen waren mir in bestimmten Situationen plötzlich präsent, das ging mir öfters so. Ich kann das objektiv gar nicht sagen, wie viel ich von dieser Figur angenommen habe. Wobei sich der Alkoholkonsum gottseidank nicht aufs Private übertragen hat. Ich bin ganz froh, dass ich das so trennen kann.“
Das nächste Solo steht auch bereits in den Startlöchern, „Mein Opa Alter John“ wird es heißen. „Das muss weiter gehen als dieses Stück. Es muss eine Weiterentwicklung geben. Es wird auch eine Verflechtung der Erzählstile aus meinen beiden vorigen Soli sein, eine Mischung aus direktem Kontakt mit dem Publikum und dem Spielen von Szenen.“ Trotz des bevorstehenden Aufbruchs in neue Gefilde birgt eine letzte Vorstellung natürlich etwas Trauer. „>Flasche leer< hat mich jetzt fast zehn Jahre lang begleitet. Da ist dann natürlich schon Wehmut dabei, um das Stück zu zitieren.“, meint Hausner. „Im Text heißt es: Wenn man abends weggeht, nimmt man sich vor, nicht mehr als drei Bier zu trinken. Das erste geht schnell, das zweite schmeckt und beim dritten ist schon Wehmut dabei, weil es das Letzte sein soll.“