Die Liste ist lang. Am Ende umfasst sie eine Million Einträge, es beginnt mit "Eiscreme" und endet mit "eine Platte zum ersten Mal hören". Die Hauptfigur in Duncan Macmillan Stück "All das Schöne" sammelt auf dieser Liste Dinge, für die es sich zu leben lohnt. Das sind nicht nur die offensichtlich und allgemein schönen Dinge, "Kaffee und Kuchen" zum Beispiel, sondern auch alltägliche Situationen, sehr Persönliches und Kleinigkeiten, die man vermutlich, würde man nicht darauf aufmerksam gemacht oder daran erinnert werden, nicht als besonders wertvoll erachtete. Nummer 253.163 zum Beispiel: "Das Gefühl von Ruhe nach der Erkenntnis, dass es, obwohl man in der Patsche steckt, nichts gibt, was man dagegen ausrichten kann." Es geht nicht nur um all das Schöne, sondern auch darum, es zu erkennen.
Jonas Hellenkemper spielt den Protagonisten, Regie führt in der sehr kommunikativen Inszenierung LTT-Intendant Thorsten Weckherlin. Die Hauptspielfläche ist zentral angesiedelt, Übergänge sind fließend. Angekündigt ist das Stück als „Solo mit Publikum“. Das ist auch so zu verstehen: Hellenkemper leiht sich Requisiten von Zuschauerinnen und Zuschauern, ein Mantel wird zum Hund, ein Stift zur Spritze. Und er involviert Leute als Figuren, ob als Schulpsychologin, als Vater oder Tierarzt und, das ist dann schon eine richtige Nebenrolle, als die Freundin und spätere Ehefrau des Erzählers. Der Boden ist ausgelegt mit Papierblättern, auf einigen Seiten sind die Einträge aus der Liste notiert: insgesamt ein ruhiges, sehr helles, angemessen undramatisches Setting.
Denn es gibt einen Grund, warum der Erzähler diese Liste führt. Er beginnt sie als Siebenjähriger für die Mutter - nach ihrem ersten Suizidversuch. Das Verhältnis zur Mutter, auch das zum Vater, der Umgang des Kinds mit der tragischen Situation behandelt das Stück, rekonstruiert aus den Erinnerungen des Erzählers und aus Berichten, wie sich dieser gerne erinnert hätte. Die Liste gerät in Vergessenheit, taucht nach dem zweiten Selbstmordversuch der Mutter wieder auf. Sie ist roter Faden im Leben, führt durch Zufall in eine Liebesbeziehung, und die aufgezählten Punkte erreichen, der Junge ist längst erwachsen, bald einen hohen sechsstelligen Bereich. Es gibt Lebensphasen, in denen die Liste rasant wächst - und solche, in denen sie stagniert. Der Alltag wird zur Routine, die Ehe geht auseinander.
Eine reine Feelgood-Geschichte ist das Stück nicht. Die Gute-Dinge-Liste mag Lebensbegleiter des Protagonisten sein, wiederkehrender Fixpunkt ist aber auch sein Gefühl, eine Falltüre öffne sich unter ihm. Der ständige Wechsel von Lebensfreude und Besinnung auf Lebenswertes auf der einen Seite, tragischen Rückschlägen auf der anderen, gibt der Inszenierung Geschwindigkeit und macht sie sehr kurzweilig. Hellenkemper gelingt es sehr einfühlsam, das Schwanken von Stimmungen wiederzugeben. Er spielt den Erzähler als liebenswert schüchterne Person mit komischen Momenten und lässt immer wieder eine gewisse Naivität durchschimmern. Es wird deutlich, wie großartig eine solche Liste ist, aber auch, dass sie keineswegs eine zuverlässige therapeutische Strategie ist, um Rückschläge zu meistern oder Depressionen zu heilen.
Die humoristischen Momente der Inszenierung entstehen vor allem durch die Beteiligung des Publikums, bei der Hellenkemper mit einer guten Mischung aus Nähe und Distanz vorgeht. Aber, davon unabhängig, die Gäste können kaum anders, als sich beteiligt fühlen. Bei all den schönen Dingen, die in den eineinhalb Stunden aufgezählt werden, kann man sich meist gut wiederfinden. Und wenn nicht: Auch die Freude darüber, an der Freude anderer über besondere Dinge teilhaben zu können, ist ein sehr schönes Gefühl. Zum Beispiel: "Die Aussicht, sich als mexikanischer Wrestler zu verkleiden." Oder das hier: "Im Publikum sitzen und mitmachen."