Michael Mayer, Alvaro Rentz, Sophie Aouami, Anna Golde - Foto: Martin Sigmund
Alvaro Rentz, Anna Golde - Foto: Martin Sigmund
Michael Mayer, Alvaro Rentz, Anna Golde, Sophie Aouami - Foto: Martin Sigmund
Michael Mayer, Alvaro Rentz, Anna Golde - Foto: Martin Sigmund
Anna Golde, Alvaro Rentz - Foto: Martin Sigmund
Michael Mayer - Foto: Martin Sigmund
Michael Mayer, Sophie Aouami - Foto: Martin Sigmund
Michael Mayer, Sophie Aouami, Alvaro Rentz - Foto: Martin Sigmund
Sophie Aouami - Foto: Martin Sigmund
Michael Mayer,Anna Golde - Foto: Martin Sigmund
Anna Golde, Michael Mayer, Alvaro Rentz, Sophie Aouami - Foto: Martin Sigmund
Anna Golde - Foto: Martin Sigmund
Alvaro Rentz - Foto: Martin Sigmund
Grafik: Peter Engel

Das Gewicht der Ameisen

Skurrile Komödie mit Energie zur Weltveränderung von David Paquet · Aus dem Französischen von Frank Weigand

12+


Reutlinger General-Anzeiger, 22. Mai 2024

Der Muskel Optimismus

(von Thomas Morawitzky)

»Das Gewicht der Ameisen« am LTT ist ein groteskes Schulschauspiel, das Zukunftsängste kraftvoll artikuliert

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Schwäbisches Tagblatt, 22. Mai 2024

Die Welt als farbig ausgeleuchtetes Klo

(von Dorothee Hermann)

Unterm Strich

Führt teils drastisch vor, dass Ausruhen vom Weltuntergang nicht mehr geht, und dass Jugendliche ziemlich viel von dem schnallen, was gerade falsch läuft in der Welt, in der Erwachsene vielfach auch nicht mehr weiterwissen. Das eindrucksvolle Bühnendesign mit der geschmeidig changierenden Farbdramaturgie verweist auf die Wandelbarkeit der Verhältnisse trotz aller Abstürze.

Zum Glück bleibt nicht alles so klaustrophobisch, wie es zu Anfang scheint: Da wirkt die Bühne wie ein leerer, dunkelgrauer Schacht, der sich nach hinten verengt und auf ein Klosett zuführt, sanitärweiß mit neongrüner Toilettengarnitur samt farblich abgestimmtem Klopapierhalter. Das Klosett ist positioniert wie ein Thron, ohne dass jemand in Sicht wäre, der oder die sich darauf niederlassen würde.

So beginnt das Jugendstück „Das Gewicht der Ameisen“ des Kanadiers David Paquet, das den Weltzustand als Endzeit-Farce vorführt. Vor kurzem brachte das Junge LTT es in einer energiegeladenen Inszenierung auf die Bühne, bei der man dem Jugendensemble des Landestheaters dabei zusehen konnte, wie im lähmenden Horror der Verhältnisse zarte Veränderungsimpulse aufkommen. Der Widerstand geht von den Jugendlichen aus, nicht von den ziemlich abgehalfterten beziehungsweise unglücklichen Erwachsenen im Stück.

Das kalte Grau des Auftakts wird bald von magischen Farbwerten illuminiert. Wie von Zauberhand gestaltet die eindrucksvoll changierende Farbdramaturgie das Geschehen mit und blendet Szenen ineinander, weitet oder schrumpft den Raum (Bühne und Kostüme: Anne Horny).

Vorerst hat Schülerin Jeanne (Anna Golde) nicht einmal auf dem stillen Örtchen eine Rückzugsmöglichkeit. Über Lautsprecher dringt die Stimme des Direktors bis in die Schultoiletten. Doch vor allem fühlt Jeanne sich von Werbeplakaten bedrängt, die von den Wänden scheinbar auf sie einbrüllen und vordergründig unverfängliche Produkte wie Kaugummi oder Shampoo derart penetrant anpreisen, bis sie schreit: „Bist du ein Werbeplakat oder ein Porno?“ In Jeans-Bermudas, Bomberjacke und streng zurückgekämmtem Haar ist sie gendermäßig divers gestylt.

Sie durchschaut die Werbebotschaften, die ihr das Gefühl geben, sie sei hässlich und müsse irgendetwas kaufen, um schön zu sein. Als sie die Plakate mit einem Stift beschmiert, sitzt sie wenig später vor dem Schuldirektor (Alvaro Rentz). Der ist seinerseits ein eher sensibler Mensch, findet sich aber als Leiter einer „der zehn schlechtesten Bildungseinrichtungen des Landes“ wieder.

Ihr Protest ist Jeannes Methode, um dem ganzen Universum zu zeigen: „Fuck you! Ich bin schon schön!“ Dass ihre Wut als behandlungsbedürftige Überaggression aufgefasst wird und sie bei einer seifig-salbadernden Therapeutin landet, kann man einen Tick zu viel finden.

Der Direktor verfügt: Zur Strafe soll Jeanne Schülersprecherin werden. Ein weiterer Kandidat ist der verträumte Olivier (Michael Mayer), der die Welt retten möchte, und zwar am liebsten, ohne dafür vor größeren Menschenansammlungen sprechen zu müssen.

Auch seine Figur ist divers angelegt: Das lange Haar teils hochgesteckt, trägt er einen Faltenrock über der grauen Hose und dazu neongrüne Crocs, vielleicht die Signaturfarbe des Stücks, schrill wie ein Aufschrei oder hoffnungsgrün? Auch ihn bedrängen von allen Seiten Stimmen. Das wirkte so eindringlich, dass manche Premierenzuschauer den Kopf drehten, um zu lokalisieren, wo genau die Stimmen herkamen. Keiner rechnet mit Überraschungsbewerberin Maike (Sophie Aouami), leicht korrumpierbar, lethargisch, träge. Sie setzt auf die banale Strategie: Überwältigung durch Fressen.

Mit der Zeit franst das Stück ein bisschen aus: Etwas weniger aus der Enzyklopädie des nutzlosen Wissens, die Olivier konsultiert, um Ansatzpunkte für die Rettung des Planeten zu finden, wäre mehr gewesen. Ganz wie in der realen Welt weiß man zeitweise nicht, wohin das alles führen soll. Offenbar sind alle auf der Suche und haben mit Problemen zu kämpfen, Jugendliche wie Erwachsene. Letztere sind genauso ratlos und ganz sicher kein Vorbild, sondern Teil des Problems, wenn nicht sogar dessen Ursache.


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Online-Portal: cul-tu-re.de, 20. Mai 2024

Hauptsache, was tun!

(von Martin Bernklau)

Auf der Tübinger Werkstattbühne inszeniert Swaantje Lena Kleff David Paquets skurrile Komödie „Das Gewicht der Ameisen“

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