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Turbulente Geschwistergeschichte von Finegan Kruckemeyer · Deutsch von Thomas Kruckemeyer
10+
Reutlinger General-Anzeiger, 20. März 2018
(von Jürgen Spiess)
Theater - "Der Junge mit dem längsten Schatten"
[...] Mit der Coming-of-Age-Geschichte des australischen Autors Fingean Kruckemeyer schafft Regisseur Pagan ein temporeiches Lehrstück, das das Ringen um Identität anschaulich macht. Zudem verkörpern Andreas Laufer und Henry Braun ihre Rollen überaus glaubwürdig und überzeugend, weil sie nicht versuchen, Kinder zu spielen, sondern das Drama als Konflikt darstellen, der sich auch unter Älteren abspielen könnte. [...]
Schwäbisches Tagblatt, 19. März 2018
Nachher bin ich noch jemand anders
(von Dorothee Hermann)
Im Geschwisterstück "Der Junge mit dem längsten Schatten" am Jungen LTT geht es um die Last des Sich-Vergleichen-Müssens.
Sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen, kann einem auf die Dauer ziemlich zusetzen. Das ist noch schwerer auszuhalten, wenn man einen Zwillingsbruder hat, dem scheinbar alles mühelos glückt, wonach man sich selbst vergeblich sehnt. So geht es dem schüchternen Atticus (Henry Braun), der mit seinem beliebten fußballspielenden Gegenstück Adam (Andreas Laufer) einfach nicht mithalten kann. Für Atticus, den weniger populären Zwilling, ist Adam "Der Junge mit dem längsten Schatten".
Autor des Stücks ist der junge Deutsch-Australier Finegan Kruckemeyer. Einfühlsam und mit viel Pfiff präsentiert er die überraschenden oder ambivalenten Facetten des schwierigen Geschwisterverhältnisses: komisch, schmerzlich, rivalisierend und einander doch nicht im Stich lassend. Am Samstagnachmittag war Tübinger Premiere am Jungen LTT (Regie: David Pagan).
An seinem zwölften Geburtstag beschließt Atticus, dass es so nicht weitergehen kann. Er will endlich genauso beliebt werden wie sein Bruder. Wie er das anstellt, spiegelt eine typische Erfahrung der beginnenden Pubertät: das ständige, schmerzliche Sich-Vergleichen, um herauszufinden, wer man selbst ist. Lebt das Idol in der eigenen Familie, ist das Sich-Messen(-Müssen) noch unausweichlicher und zudem potenziell selbstzerstörerischer.
Doch die Grund-Zuneigung der Brüder lässt die Unsicherheit des einen, seine Unfähigkeit, zu sich selbst zu stehen, nie in ein Ausgeliefertsein abstürzen. Dieses emotionale Sicherheitsnetz erleichtert es nicht nur jungen Zuschauern, sich damit auseinanderzusetzen, was ein wackliges Selbstbild anrichten kann.
In der Klassenzimmer-Situation, die die Inszenierung (Bühne und Kostüme: Anne Hölck) andeutet, darf ein Mobber nur am Rande seinen fiesen Schatten werfen. Mal ist er nur als Stimme präsent, mal als Junge aus dem Publikum. Das schafft Distanz. Und man kann beobachten, wie unterschiedlich die zufällig ausgeguckten jungen Komparsen die Rolle angehen. Das Stück kommt (fast) ohne Erwachsene (Eltern, Lehrer) aus. Es konzentriert sich darauf, was sich unter Zwölfjährigen abspielt.
Selbst wenn er sich lächerlich macht, ist Atticus nie als geborener Verlierer angelegt. Sondern als jemand, der die eigenen Stärken nicht gut einschätzen kann. Auch wenn sie bei einem seiner Rollenspiele für die staunenden Zuschauer (und für den Bruder) unübersehbar werden.
Das Publikum wird Teil der Inszenierung. "Mein Name ist Andreas Laufer", stellt sich zu Beginn der LTT-Darsteller des Adam vor. "Das ist mein echter Name. Nachher bin ich noch jemand anders." Und sofort ahnt man, wie fließend der Übergang zwischen den unterschiedlichen Rollen sein kann, die jemand spielt - und zwar nicht nur auf der Bühne.
Der minimal ältere, erstgeborene Zwilling nimmt auch mal die Rolle des Erzählers ein. Wie die Zuschauer sieht er seinem Bruder dabei zu, wie der versucht, sich selbst zu finden - sich frei zu machen von unrealistischen Erwartungen an sich selbst, und, in zweiter Linie, von den Projektionen der anderen.
Unterm Strich
Wenn es nicht so flutscht mit dem Image, ist das im Selfie-Zeitalter eine ziemliche Katastrophe. Das Stück traut sich an solche bedrohlichen Gefühle heran, schafft es aber mit Humor und Einfühlungsvermögen, dass sie nicht tonnenschwer auf einem lasten. Dafür hat Atticus, der Junge im Schatten, einfach viel zu viel zu bieten.
Schwäbisches Tagblatt, 16. März 2018
Coole Jungs und wie man einer wird
(von Susanne Schmitt (LTT-Vorbericht))
Das Klassenzimmerstück „Der Junge mit dem längsten Schatten“ ist ab Samstag am Jungen LTT zu sehen.
Dramaturgin Susanne Schmitt sprach mit dem britischen Musiker, Schauspieler und Regisseur David Pagan, der die urbulente Geschwistergeschichte des australischen Autors Finegan Kruckemeyer für junge Menschen ab 10 Jahren inszeniert hat.
In wenigen Worten, worum geht es im Stück?
David Pagan: Es geht um Zwillingsbrüder. Einer der Brüder ist zwei Minuten älter. Er findet das Leben relativ einfach und hat Spaß, während der andere sich ständig Sorgen macht. Als sie zwölf Jahre alt werden, versucht der Jüngere, Atticus, so zu werden wie sein älterer Bruder Adam. Denn er will genauso glücklich sein. Aber das gelingt natürlich nicht so einfach, schließlich ist es immer schwierig, jemand anderes zu sein. Wir erzählen von diesem Kampf mit sich selbst, mit der eigenen Identität. Es ist für Atticus nicht einfach, eine Zufriedenheit zu finden, obwohl oder gerade weil er ein sehr schlauer Typ ist.
Die Zwillinge werden von Henry Braun und Andreas Laufer gespielt, die sich nicht besonders ähnlich sehen. Wie gehen Sie damit um?
Das ist Theater. Sie müssen nicht genau gleich aussehen. Wenn man einfach behauptet, dass die beiden Zwillinge sind und dass sie ähnlich aussehen, reicht das völlig. Und wir spielen natürlich auch damit, dass sie sich gleich oder eben nicht gleich bewegen, dass sie das Gleiche oder eben nicht das Gleiche tragen.
Sie sind hauptsächlich Musiker und Komponist. Welche Rolle spielt die Musik in Ihrer Inszenierung?
Da es im Stück viel um Erinnerung und Wahrnehmung geht, funktioniert die Musik als eine Art Gedächtnisstütze. Sie versucht, die Geschichte zu begleiten, zu strukturieren, die Figuren zu charakterisieren. Es gibt wiederkehrende Motive, die bestimmten Figuren zugeordnet sind oder die mit der Gefühlslage von Atticus tun haben.
Das Stück wird direkt in Schulklassen gezeigt und im Theater – wie sieht in diesem Fall das Bühnenbild aus?
Wie ein Klassenzimmer (lacht). Natürlich bleibt ein Theatersaal immer ein Theatersaal, egal, was man hineinbaut. Aber sobald man ein paar Tische und Stühle in einer bestimmten Ordnung aufstellt, ist sofort klar, was er versucht zu sein – auch wenn man als Erwachsener nicht so oft in ein Klassenzimmer und als Jugendlicher nicht so oft ins Theater geht.
Wird das Publikum auch mitspielen?
Es ist kein typisches Mitmachtheater, aber die Zuschauer werden dicht dabei sein. Wir bespielen den ganzen Raum. Alles ist Spielfläche, es gibt keine Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum. Daher bin ich sehr gespannt, wie sich das Stück mit dem Publikum verbindet, wie stark die Leute einsteigen. Im Klassenzimmer ist relativ klar, wie es funktioniert, das haben wir bei den Proben auch ausprobiert. Aber im Theater, mit einem gemischten Publikum – da bin ich wirklich neugierig.