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Märchenhaftes Erzähltheater von Karin Eppler frei nach den Gebrüdern Grimm
Uraufführung
6+
Reutlinger General-Anzeiger, 3. Mai 2016
(von Dagmar Varady)
»Die kluge Bauerntochter« am LTT
Märchen, in denen ein König eine arme, aber schöne junge Frau aus einem niedrigen Stand heiratet – wer kennt sie nicht? Doch die Grimm’sche Geschichte »Die kluge Bauerntochter« ist viel mehr, ist beinahe schon modern mit der Vorstellung einer Liebesheirat. Das Junge LTT hat sich dieses Märchens angenommen und mit wenig Mitteln eine fantasievolle und originelle Inszenierung geboten, die nicht nur Kinder bezaubert.
Zur Geschichte: Margarete, die kluge Bauerntochter, ist schlagfertig, intelligent und fröhlich. Eine Kombination, die in vielen Männern einen Heiratswunsch weckt. In karger Zeit bittet Margaretes Vater den König um ein Stück Land, das dieser bewilligt, nur um ihn später wegen vermeintlicher Bereicherung einsperren zu lassen. Margarete kann ihren Vater mit ihrer Klugheit retten. Der König verliebt sich in die ihm ebenbürtige Frau, und zuletzt wird Hochzeit gefeiert.
Wie die Regisseurin Karin Eppler das Märchen ausschmückt, ist stimmig und erfinderisch. Rätsel durchziehen die Geschichte. Das beginnt mit Margaretes augenzwinkerndem Erbsenverkauf (»Was ist grün und verursacht bei Prinzessinnen blaue Flecken?«) und endet mit einem Kuchenrätsel zur Hochzeit.
Auch den König vermag Margarete mit einem Ohr aus Pappe (der König müsse ja ein offenes Ohr haben), einem Rätsel über die Hoffnung und schließlich mit ihrer Fähigkeit, das schwierige Rätsel des Königs zu lösen, für sich zu gewinnen. Um dem König Charakter zu verleihen, wird ihm die Leidenschaft zum Experimentieren angedichtet. Dass er damit das Dach des Westflügels zerstört, indem ein weißes Kaubonbon in Limonade zu einer Explosion führt, sorgt für Erheiterung im Publikum. Jedoch auch für Verärgerung der königlichen Mutter, die ihn daraufhin zum Heiraten überreden will.
Die Brautwerbung ist köstlich inszeniert. Mit knappen Worten wird das Vorstellen und Ablehnen der Prinzessinnen dargestellt, sodass man denkt, es gehe nicht kürzer. Zuletzt heißt es nur lakonisch: »Tor auf – Nö – Wiedersehen«.
Das alles bekommt erst durch die Schauspielerin Stefanie Klimkait eine Seele. All die verschiedenen Rollen spielt sie authentisch, witzig und mit der Fähigkeit, flugs die Charaktere zu wechseln. Selbst die Szenen zwischen Margarete und dem König gelingen prickelnd. Wenn der König Margaretes Vater beim Morsen »Schwiegerfalter« nennt oder das Pärchen sich im Springkraut, wo Papierkügelchen durch die Luft fliegen, immerwährende Ehrlichkeit verspricht, dann bekommt dies durch Klimkaits Spiel erst die zauberhafte Leichtigkeit, welche das gesamte Stück durchzieht.
Leicht und schwerelos wirkt auch die raffinierte Idee, alles mit Pappe und Papier abzubilden. Sabine Effmert (Bühnenbild) lässt Klimkait Etliches auf- und zuklappen, Papierkerzen auspusten, Papierhäuser in einem Buch aufklappen oder ein langes Papierstück herausziehen, das erst Hochzeitsschleier ist und sich dann in eine Kuchentheke verwandelt. Wenn zum Schluss dann der stereotype Satz »Und so lebten sie glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende« anrückt, so bekommt dies durch die hinfortgaloppierende Papierkutsche eine erfinderische Note. Der Becher Hochzeitsbowle am Ausgang rundete das wahrlich entzückende und publikumsbegeisternde Theaterstück ab.
Schwäbisches Tagblatt, 3. Mai 2016
(von Dorothee Hermann)
Ein Grimm-Märchen als magisches Pop-Up am Jungen LTT
Dass es noch spannender wird als vor einem Adventskalender, weil jedes Türchen statt eines schnell verzehrten Schokolädchens immer neue, noch unglaublichere Geschichten freigibt - im ersten Augenblick sieht es danach nicht aus. Am Jungen LTT beginnt das Brüder-Grimm-Märchen "Die kluge Bauerntochter" so: Eine junge Frau im lustigen Karohemd sitzt am Rand einer runden Packpapierfläche, als wäre sie der Zeiger einer Sonnenuhr oder auf einer einsamen Insel ausgesetzt.
Doch schon meldet sich unsichtbar, aber akustisch unverkennbar ein ganzer Bauernhof: Hühner krähen, Schweine grunzen, Enten quaken, ein Hund bellt. Anders als in der Vorlage der Gebrüder Grimm, wo die Bauerntochter Margarete (unwiderstehlich: Stefanie Klimkait, auch als Erzählerin und in allen anderen Rollen) erst in den Mittelpunkt rückt, als ihr Vater schon schwer in der Klemme steckt, hat Autorin und Regisseurin Karin Eppler das Stück ganz auf die findige Tochter zugeschnitten - und es damit behutsam in die Gegenwart geholt.
Den historischen Abstand zur Niederschrift des Märchens signalisieren die meist leicht altertümliche Sprache und die altmodischen Korkenzieherlocken von Margarete. Die vornehme Frisur könnte auch auch auf einen gewissen sozialen Aufstiegswillen hindeuten.
Wie von Zauberhand steht plötzlich eine Häuserfront im Puppenbühnenmaßstab da. Idyllisch wird es auf dem angedeuteten Marktplatz aber nicht. Wie das Mädchen ihre Kirschen an die Frau bringen muss, ist Knochenarbeit, so lustig sie es auch angeht.
Die Zuschauer sind da noch ganz verblüfft darüber, wie sich hinter einer kleinen Klappe aus Pappe ein allerliebstes Obstlädchen geöffnet hatte, aus dem sich, so zweidimensional flach es auch aussieht, wie bei einem Zaubertrick Körbchen voller Kirschen hervorholen lassen. Wie ein Pop-Up-Bilderbuch, das auf einmal lebendig wird, lässt Margarete das gesamte Bühnenbild und was außer ihr selbst darauf zu sehen ist, scheinbar aus eigener Hand erstehen: ein Dorf und ein Schloss und sogar prächtige Kutschen mit vier Pferden, die heranfahren und auf geheimnisvolle Weise wieder verschwinden.
Das 50-Minuten-Stück ist auch eine wunderbare Einführung in die Magie des Theaters. Die Stimme um ein Winziges verstellt, die Backen aufgeblasen oder den Oberkörper breit gemacht: Schon stehen auf der Bühne neben Margarete noch Bäckersfrau, Kuhpeter, Töpferin, Seiler oder Königssohn, obwohl doch immer nur eine Schauspielerin agiert.
Mühelos schafft sie weitere Figuren, indem sie charakteristische Gegenstände belebt: Königin und Königssohn sind an ihren Stimmen erkennbar, werden aber verkörpert von ihren albernen kleinen Prachtsesseln. Der des Sohnes ist ein bisschen kleiner ausgefallen.
Die Premierenzuschauer am Samstagnachmittag waren hingerissen. "Das haben die ganz süß gemacht. Das war ja ein Feuerwerk an tollen Ideen", hieß es da.
Unterm Strich
Eine Bühne wie ein Pop-Up-Bilderbuch voller verblüffender Wendungen, das sich auf wundersame Weise selbst zu erzählen scheint. Mit einfachsten Mitteln (Pappe- und Papierobjekte, Geräusche aus dem Off) ausgestattet, setzt die vergnügliche Inszenierung geschickt auf die Phantasie kleiner wie großer Zuschauer.
Schwäbisches Tagblatt, 30. April 2016
(von Susanne Schmitt (LTT-Vorbericht))
Heute Premiere: Das Junge LTT mit akustisch-optischem Märchen-Zauber
Die Uraufführung von "Die kluge Bauerntochter" (heute 16 Uhr) am LTT für Kinder ab sechs Jahren ist ein märchenhaftes Erzähltheater frei nach den Gebrüdern Grimm. Dramaturgin Susanne Schmitt unterhielt sich mit der Regisseurin und Autorin Karin Eppler, der Bühnen- und Kostümbildnerin Sabine Effmert und mit der Schauspielerin Stefanie Klimkait
Susanne Schmitt: "Die kluge Bauerntochter" gehört nicht zu den bekanntesten Grimmschen Märchen. Wieso haben Sie sich gerade für diese Vorlage entschieden, Frau Eppler?
Karin Eppler: Mich hat dieses unbekanntere Märchen fasziniert, weil es zart und poetisch ist und es ohne das märchentypische Böse auskommt. Es gibt also keine Hexe, die am Ende in den Ofen gesteckt wird oder anderes Personal, das getötet, vertrieben oder verbannt wird. Der Konflikt der Geschichte ergibt sich daraus, wie zwei "kluge Köpfe" ihre Herzen füreinander finden. Da wird auf wunderbare Art der Weg einer jungen, klugen Frau beschrieben, der nicht immer einfach ist. In diesem Punkt empfinde ich das Märchen als wunderbar heutig, weil die aufgeweckte Bauerntochter selbst nie mit ihrer Klugheit hadert und sich auch nie klein macht. Da hat schon eher ihr männlicher Gegenpart ein paar Problemchen, sich zu positionieren. Im Märchen enden die Geschichten immer gut, so auch bei der " Bauerntochter". Mit einer Heirat kommt zusammen, was zusammengehört. Die soziale Herkunft der beiden, die so gar nicht zusammenzupassen scheint, spielt da keine Rolle. Ist das nicht ein tolles Bild für eine große Hoffnung?
Worin besteht die besondere Klugheit der Bauerntochter Margarete?
Stefanie Klimkait: Margarete ist mit dem Herzen klug. Es ist kein steriles theoretisches Wissen, was sie auszeichnet, sondern sie beobachtet die Menschen um sich herum und versetzt sich in ihre Lage. Sie nimmt aufmerksam ihre Umgebung wahr und hat vor allem auch den Mut und die Fähigkeit, das, was sie sieht, zu benennen und sich dazu zu verhalten.
Wie kam es zu der ungewöhnlichen Spielform, einer Mischung aus Erzähl- und Objekttheater?
Karin Eppler: Wir wollten dem Märchen kein altertümliches Gewand überstreifen, aber zugleich hatten wir auch keine Lust, aus Margaretes Geschichte eine hypermoderne " Bauerntochter reloaded 2.0 - voll gecheckt" zu machen. Es sollte etwas sein, dass das Poetische unterstützt und das Märchen greifbar macht.
Sabine Effmert: Am Anfang unserer Arbeit stand daher der Leitsatz: Wir wollen aus nichts eine Welt erschaffen und mit einfachen Mitteln die Phantasie kitzeln! Pappe und Papier eignen sich großartig dazu, eine märchenhafte Welt entstehen zu lassen - und sie sind allen Kindern bekannt. Außerdem arbeite ich sehr gerne mit diesen Materialien, weil sie so facetten- und trickreich sind.