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Stück ohne Worte von Anne-Kathrin Klatt, Michael Miensopust
Uraufführung
4+
Schwäbisches Tagblatt, 7. August 2013
Ein Tag wie das Leben in Seoul und Miryang
(von Susanne Schmitt)
Ein besonderer Abstecher stand für das Kinder- und Jugendtheater des LTT auf dem Programm. Die internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche hatte das Stück „Ein Tag wie das Leben“ zu zwei großen koreanischen Theaterfestivals eingeladen.
Zuerst gings aufs „Korea Summer Festival“, ins „Sejong Center for the Performing Arts“, einem großen Gebäudekomplex mit mehreren Spielstätten. Die Crew – Magdalena Flade, Rupert Hausner, Michael Miensopust, Matze Hupel, Anne-Kathrin Klatt und Susanne Schmitt – war mit nur einem Koffer für Kostüme, Requisiten und Maske angereist. Doch die Vorab-Kommunikation hatte geklappt, alle Elemente des Bühnenbilds waren bereits da – und mindestens so gut gebaut wie das Tübinger Original. Nur der Wäschekorb, das wichtigste Requisit der Aufführung, fehlte. Wie sich später herausstellte, war es auch gar nicht so leicht, ein ausreichend großes Exemplar aufzutreiben...
Mit Hilfe einer großen koreanischen Crew wurden Licht und Ton eingerichtet. Mit Englisch und mit Händen und Füßen gelang die Verständigung erstaunlich gut. Am nächsten Tag strömten etwa 200 koreanische Kinder und Eltern sowie andere Festivalteilnehmer in den Theatersaal. Vor allem die Kinder ließen sich sofort auf das clowneske Stück ein, es gab begeistertes Lachen, große Aufmerksamkeit und viel Applaus – genauso wie bei den folgenden vier Vorstellungen.
Daneben erkundete das Team die Ausgehviertel von Seoul und drückte sich durch das Gewühl des Nachtmarktes rund ums Hotel. Sie besichtigten Paläste und Tempel, informierten sich über die koreanische Hangeul-Schrift, schauten Theateraufführungen aus Korea, Japan und Sri Lanka und hörten traditionelle koreanische Musik und K-Pop.
Nach insgesamt vier Tagen in Seoul ging’s dann im Auto weiter nach Miryang, in ein vor über 20 Jahren gegründetes Theaterdorf mit zahlreichen Spielstätten, zum Teil unter freiem Himmel, Probenräumen, einem großen Fundus, einem Archiv, sowie Gäste- und Wohnhäuser für die Künstler, die zum Teil das ganze Jahr dort gemeinsam leben und arbeiten. Für die Tübinger waren zwei der Privathäuser geräumt worden. Am heißesten Ort Koreas erwischten sie den bisher heißesten Tag des Jahres: über 45 Grad.
Jeden Tag gab es sechs verschiedene Stücke zu sehen – von traditionellem Maskentheater, über Kinderstücke, die „Orestie“ bis hin zu einem zeitgenössischen Stück über eine nordkoreanische Flüchtlingsfamilie. Dreimal spielten sie „Ein Tag wie das Leben“ in Miryang, wieder vor jeweils 200 Zuschauern. Und jetzt – sind sie wieder da, begeistert von der koreanischen Gastfreundlichkeit und mit der Erkenntnis, dass man vieles essen kann, aber keine Fischsuppe zum Frühstück...
Ludwigsburger Kreiszeitung, 19. Januar 2013
Ein Leben zeigt sich auf der Wäscheleine
(von Rainer Enke)
Leonberg. „Ein Tag wie das Leben“ hat die jungen Zuschauer im voll besetzten Spitalhof bestens unterhalten.
Ein langes, gemeinsames Leben, Episoden und Gefühle aufgereiht wie Wäschestücke auf einer Leine, das hat das Landestheater Tübingen [...] mit seinem Kinderstück „Ein Tag wie das Leben“ eindrucksvoll thematisiert.
Es ist ein Zwei-Personenstück ohne Worte, dafür aber mit herausragenden darstellerischen und pantomimischen Leistungen von Magdalena Flade und Rupert Hausner. Beide spielen ein altes Paar, das irgendwo in Meeresnähe lebt. [...] Und sie leben ein Ritual, das sie seit ewigen Zeiten zu pflegen scheinen: Sie hängen gemeinsam Wäsche auf die Leinen.
[…] Schon hier genießen die Kinder die Situationskomik. […]
Überhaupt, die Altersroutine schwindet nach und nach, die Musik wird lebhafter, beide scheinen, symbolisiert durch die Wäschestücke, rückwärts in ihr gelebtes Leben zu gelangen. Verspieltheit kommt auf, wenn sie sich die unvermeidlichen Wäscheklammern an die Nase stecken, wieder anfangen, sich zu necken. Zauberhafte Momente blitzen auf, etwa als die Strümpfe auf der Leine beginnen so etwas wie Ballett zu tanzen, oder der Mann mit einem Hemd eine Handpuppe imitiert. [...]
Pantomimisch sehr gelungen die Szene, als beide aus Versehen mit je einem Bein in eine Schlafanzughose schlüpfen, diese aber sich eher wie eine dritte Person zwischen dem Paar aufführt. Die Wäsche führt definitiv ein Eigenleben, so wie die beiden Individuen sind. Dennoch sind sie zusammen geblieben, und haben ihre Erinnerungen, Träume und Enttäuschungen nachgelebt – die nun als Wäschestücke auf den Leinen hängen. Aber wie im „richtigen“ Leben, es kommt ein Sturm, der alles herunterreißt, die beiden sammeln alles wieder in den Korb ein, alles ist wie zu Beginn, die magischen Momente aber sind geblieben.
Reutlinger Nachrichten, 22. Oktober 2011
(von Kathrin Kipp)
Szenen einer Ehe: Das Kinder- und Jugendtheater am LTT zeigt "Ein Tag wie das Leben". Der Clou dabei ist: Michael Miensopust und Anne-Kathrin Klatt haben das clowneske Stück ohne Worte konzipiert.
Es geschah zu einer Zeit, als man sich beim Wäscheaufhängen noch so richtig Zeit lassen konnte. "Er" und "sie", ein altes Ehepaar, haben schon manchen Wellengang erlebt und manchem Sturm getrotzt. Deshalb sitzen sie jetzt auch in ihren gelben Ostfriesen-Nerzen relativ entspannt auf ihrem Bänkchen und freuen sich an der Zeit, die sie noch miteinander haben.
Magdalena Flade und Rupert Hausner spielen das Stück ohne Worte, lassen als altes Ehepaar beim Wäscheaufhängen das Leben noch einmal aufblitzen und hängen Erinnerungsstücke auf: Unterwäsche, Erlebnisse, Beziehungsstationen, Rituale, Gefühlslagen, Lebensetappen.
Der Schauspieler, Autor und Leiter des Kinder- und Jugendtheaters am LTT, Michael Miensopust, und die Figurentheatermacherin Anne-Kathrin Klatt haben das Stück für Kinder ab vier Jahren ohne Worte konzipiert und inszeniert, mit viel Pantomime, Slapstick, Geräuschen, Musik (von Christian Dähn), einem offenen Bühnenbild, choreographischen Einlagen, Synchrontanz und zarter Clownerie, was von Magdalena Flade und Rupert Hausner jeweils mit viel Feingefühl, Charme und Präzision umgesetzt wird.
Sie sitzen in einem blauen Garten, der von einer großen Welle begrenzt wird: jederzeit bereit, ins Leben einzubrechen oder aber auch schon wieder am Verschwinden. Strand, Möwen, Sturm, Regen, Gewitter, Windstille. Dieses Ehepaar hat schon alle Wetterlagen hinter sich, sitzt auf seinem Bänkchen, nickt im Rhythmus der Zeit, wendet sich und dreht sich, atmet durch und tänzelt tapsig nach vorne. Ein Ritual, an dem sich das gesamte Beziehungsspektrum der beiden Senioren abzeichnet.
Es sind Szenen und Bilder von Interaktionen, die so universal sind, dass sie auch von kleinen Kindern verstanden werden, die bei der vierzigminütigen Aufführung im "LTT-oben" außerdem voll mitgehen, viel lachen und den beiden helfen wollen, sich zu finden.
Und so hängt das eingespielte Duo seine altertümliche Unterwäsche auf - nicht ohne, dass er vorher ordentlich die Wäscheleine sauber gemacht hat, und von ihr deshalb ordentlich gefoppt wird. Mal herrscht Einigkeit, mal Unstimmigkeit, mal tanzen die Wäscheklammern und mal die Emotionen. Mal sind die beiden albern und mal aber auch ganz schön beleidigt. Er ist ein stolzer, schüchterner, sensibler und alberner Schelm, der gerne auch mal provoziert. Sie eine neckisch grinsende Oma, die sich von ihrem Mann nicht die Butter vom Brot nehmen lässt, auch wenn er sie mit seinem ewigen "Gxsss" herumzuscheuchen versucht.
Viele Gefühle sind im Spiel: Harmonie, Zwietracht, Fopperei, Machtkampf. Und viel Verspieltheit: Sie schlüpfen in einen Bettbezug und formieren sich zu Phantasiegeschöpfen - für die jungen Zuschauer Anlass zum heiteren Figurenraten: "Elefant!", "Schwein!", "Kissen!", "Igel!" - bis die zwei als siamesische Zwilllinge wieder auftauchen, deren Köpfe in einer großen Unterhose stecken.
Dann zieht sie einen Badeanzug heraus und schwelgt in Urlaubserinnerungen: "Dream A Little Dream Of Me" singt es aus den Boxen, und er lässt dazu die Leine tanzen. Mit Hemd und Morgenmantel erinnern sie sich an ihre romantische Kennenlernzeit. Und dann gibts da noch die kleinen Seltsamkeiten im Leben: Wenn zum Beispiel die Pyjama-Hose anfängt, ein bockiges Eigenleben zu entwickeln - da hilft kein Wäschezerren, da hilft nur noch Zusammenhalten.
Reutlinger General-Anzeiger, 11. Oktober 2011
(von Lena Kroenlein)
»Ein Tag wie das Leben« von Michael Miensopust feierte Premiere am LTT Kinder- und Jugendtheater
Am Anfang sitzen sie auf der Bank. In gelben Jacken, mit dem Rücken zum Publikum. Sie werfen die Hände in die Luft, schauen den kreischenden Möwen hinterher. Das Meer rauscht. Dann stehen die beiden auf. An der unsicheren Art, wie die zwei gehen, wird klar, dass es sich hier sich um ein altes Ehepaar handelt. Und als sie durch einen Windstoß ins Off getragen werden und mit einem Wäschekorb wieder auf der Bühne erscheinen, ist die Kulisse komplett. Mehr braucht es nicht.
In » Ein Tag wie das Leben« für Besucher ab vier Jahren am LTT Kinder- und Jugendtheater (KJT), inszeniert von Michael Miensopust und Anne-Kathrin Klatt, wird kein Text gesprochen. Wenn es um das Zusammenleben eines alten Paares geht, wie »Sie« (Magdalena Flade) und »Er« (Rupert Hausner) eines sind, braucht man keine Worte.
Denn Liebe und Erinnerungen an früher lassen sich auch wunderbar in einem stummen Spiel zwischen Mimik, Gestik und Situationskomik darstellen. Regisseur und Ausstatter Michael Miensopust trägt den Gedanken eines wortlosen Stückes schon länger mit sich herum, seit er in den 90er-Jahren das Stück »Waschtag« der Theaterwerkstatt Pikentafel aus Flensburg gesehen hatte. Aus dieser Inspiration heraus kreierte er zusammen mit der Choreografin Anne-Kathrin Klatt aus einer einfachen Szene des Wäscheaufhängens »Ein Tag wie das Leben«. Am Samstag feierte das Stück seine Premiere in der Spielstätte »LTT oben«.
Regiearbeit und Choreografie fließen ineinander und werden durch die schauspielerische Leistung komplett. Ein paar Wäschestücke und -klammern versetzen das Ehepaar immer weiter zurück in die Vergangenheit. »Sie« erinnert sich bei einem alten Badeanzug an ihre Jugend und schwebt zur Musik von »Dream A Little Dream Of Me« über die Bühne. »Er« verwendet die Wäscheklammern für sein Puppenspiel und lässt auf der Wäscheleine Figuren tanzen. Beide verwickeln sich beim Lakenschütteln darin und lassen aus dem Tuchwirrwarr einen Elefanten entstehen. Ein großartiges Schauspiel, das auch die Kleinen zum Lachen bringt.
Offen bleibt nur, ob Vierjährige die Thematik des Stückes verstehen können. Bei der Premiere hatte das junge Publikum jedenfalls seinen Spaß an den komischen Situationen. Lang anhaltender Applaus am Ende. Ganz ohne Worte.
Schwäbisches Tagblatt, 10. Oktober 2011
(von Wolfgang Albers)
Blau und am Bühnenende ist der Boden. In der Mitte eine kleine Holzbank. Darauf sitzen zwei Personen.
Das Premierenpublikum, das am Samstag ins LTT kam, zu einem neuen Stück des Kinder- und Jugendtheaters, sah beim Eintreten nur zwei Rücken in gelben Regenjacken, tief nach unten gebeugt.
Möwen kreischen aus dem Lautsprecher. Die Köpfe gehen hoch, schauen in die Luft, die Hände werfen etwas in die Luft. Aha, wir sind am Meer. Wer sind die zwei? Im Trippelschritt entfernen sie sich von der Bank. Aha, wohl ältere Leute. Die beiden ziehen sich ihre Friesennerze runter. Ja, so läuft kein Junger rum: sie im Schaffkittel wie aus den 50ern, er in grauer Buchhalterweste. Dann faucht Wind aus dem Off. Sie holen einen Wäschekorb und stellen sich unter die Leinen. Aha, jetzt sind wir zu Hause.
Man muss sich das alles so denken. Magdalena Flade und Rupert Hausner, die Sie und der Er, reden kein Wort (und haben deshalb konsequenterweise keine Namen). Wären nicht die Musik und die Geräusche vom Band – wir sähen eine Art Stummfilm, eine 40-Minuten-Pantomime.
Braucht es auch mehr? Für vierjährige Kinder offenbar nicht. Für dieses Alter aufwärts hat Michael Miensopust dieses „Stück ohne Wort“ inszeniert.
Die Idee trägt er schon lange mit sich herum, seit er in den 90er- Jahren das Stück „Waschtag“ der Theaterwerkstatt Pilkentafel aus Flensburg sah. Auf Motiven dieser Inszenierung basiert sein Stück. Und es hat ihn optimistisch gestimmt: Auch ein nonverbales Stück (wie er es schon 2007 mit „Das Geschenk“ am LTT herausgebracht hat) erreicht sehr junge Zuschauende.
So leicht wird es denen ja nicht gemacht. Das Stück entwickelt nämlich nicht eine fortlaufende Handlung. Das Wäscheaufhängen führt das Paar immer wieder in die Vergangenheit. Ein roter Badeanzug versetzt Sie – der Lautsprecher schnulzt „Dream a little dream of me“ dazu – in ein jugendlicheres Leben, Er baut Wäscheklammern zusammen, ein Spiel aus der Kindheit.
Die Reisen in die Vergangenheit sind mehr als gespielte Situationen. Anne-Kathrin Klatt hat sie choreographiert. Und Magdalena Flade und Rupert Hausner verweben die verschiedensten Ebenen, das Figurenspiel und den Tanz, die Charakterdarstellung und den Slapstick, das Intensive und das Komödiantische, zu einer magischen Einheit.
Nur ein Beispiel, ein besonders schönes: Aus dem strengen Lakenschütteln heraus verwursteln die Zwei sich in das Tuch, lassen als Elefant Kinderspiele auferstehen (übrigens ein akrobatisch-koordinatives Glanzstück) und tauchen mit Wäscheklammern im Mund wieder auf – schnullernd wie einst als Baby. Oder ist es eine Assoziation an ihre Kinder?
Wichtiger für das Ensemble ist: Können auch jüngere Kinder die elementaren Situationen eines langen Lebens zu zweit begreifen? Vertrautheit, Streit, Angst umeinander, Sorge füreinander.
Ein Experiment, noch offen für Nachjustierungen. Das werden die nächsten Aufführungen zeigen. Soviel sah man schon bei der Premiere: Die Kleineren hatten ihren Spaß an vielen komischen Situationen und eine Wahrnehmung für das feinfühlige Spiel des Duos auf der Bühne.