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Projekt des tjc (Theaterjugendclub am LTT)
Uraufführung
Schwäbisches Tagblatt, 2. Mai 2014
Ein Stückchen von uns allen steckt darin
(von Matthias Reichert)
„Grüner Tee“ heißt die neueste Uraufführung des LTT-Theaterjugendclubs, die Freitagabend ihre vielbeklatschte Premiere hatte. Und zwar im Sudhaus, bedingt durch eine krankheitsbedingte Spielplanänderung.
Freaks sehen dich an. Einer jagt nach Schmetterlingen, eine klebt kleine Zettel an Gegenstände, eine fischt abwechselnd im Teich und im Aquarium. Seltsame Gestalten leben in diesem Hotel – hier können sie sich austoben und ganz sie selbst sein.
Treiben sie es zu bunt, geht Wirtin Silvia (Luca Hämmerle) mit einem lautstarken „Schluss!“ dazwischen und lässt ihren Adlatus Chris (Madeleine Bonneau) Grünen Tee servieren. Ein anderes Getränk gibt es nur im Katastrophenfall. Als sich herausstellt, dass ein Immobilienhai das Haus abreißen will, um einen Supermarkt zu erweitern, stehen im Nu auch Gin und Bier auf dem Tisch des Hauses.
Die 13 Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren haben das Stück in acht Monaten unter Anleitung des Theaterpädagogen Tobias Ballnus selbst entwickelt und einstudiert. „Ein Stückchen von uns allen steckt darin“, sagt Akteur Till Steinfort. Der erste Teil der einstündigen Aufführung gehört den Marotten der Protagonisten. Pantomime steht im Vordergrund, die versammelten Schrullen sorgen für viele Lacher. Sie spielen Ball, singen Opernarien nach, machen Kunst am Lampenschirm – und kabbeln sich immer irrsinniger dabei.
Doch dann die Hiobsbotschaft: Das Haus wird zwangsgeräumt und abgerissen. Sie schmieden sinnlose Pläne. Soll man den Bürgermeister alarmieren? Aber wer ist das? Ein Abgesandter der Immobilienfirma, in Anzug und mit Mafiosi-Sonnenbrille, wird kurzerhand erschlagen und draußen im Teich versenkt.
Alle im Hotel betrinken sich sinnlos. Sie feiern ab, bis sie sich in Kübel und ins Aquarium übergeben. Schon rückt die Verstärkung des Räumkommandos an: Ein halbes Dutzend weitere Mafiosi, die zu donnernder Hardrockmusik einen infernalischen Tanz aufführen, die Bewohner aus dem Haus schmeißen und die Möbel kurz und klein schlagen.
Bis dahin stand die Pantomime im Vordergrund. Nun fällt der Vorhang. Nach und nach treten die Akteure und Akteurinnen davor – gleichsam in die Wirklichkeit, der sie allerdings nicht gewachsen sind. Jetzt sprechen sie. Erzählen, wie es ihnen im echten Leben ergangen ist. Einzeln und im Chor. Nicht einmal die Wirtin, stellt sich heraus, konnte Fuß fassen. Ein eindrücklicher Chor. „Ich will nach Hause“, ruft einer.
Einer nach dem anderen kehren sie zurück ins Abrisshaus. Das Klavier unter der Durchreiche ist noch intakt. Sie singen gemeinsam das Liedchen „Irgendwo auf der Welt ist ein kleines Stückchen Glück“ von den Comedian Harmonists. Während draußen lärmend die Bagger anrücken, Kunstnebel aufsteigt und die vier Wände allmählich umkippen, basteln sie sich ein Phantasieschiff. Mit dem wollen sie an den Amazonas – wo es die größten Schmetterlinge gibt. Am Ende rudern sie in eine bessere Traumwelt. Weit fort von der rauen Wirklichkeit.
Unterm Strich
Jede/r hat das Recht auf eine eigene Macke: Eine sehenswerte Freakshow mit starken Pantomimen, martialischen Tänzen, Herzschmerz-Liedern und einer eindrücklichen Konfrontation mit der rauen Wirklichkeit jenseits der beschützten Hotel-Heimat. Beim finalen Aufbruch ins Reich der Fantasie siegt freilich das Wunschdenken.