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Kindermusical von Heiner Kondschak nach Paul Maar
Uraufführung
6+
Augsburger Allgemeine, 12. März 2015
(von Romi Löbhard)
„In einem tiefen, dunklen Wald“ im Landsberger Stadttheater
Eineinhalb Stunden am Stück einigermaßen still in einem Theatersessel zu verbringen, ist eigentlich eine sehr lange Zeit für Kinder. Nehmen sich allerdings die Mitglieder des Jungen Landestheaters Tübingen (LTT) eines Stoffs für das junge Publikum an, dann können eineinhalb Stunden ganz schön kurz sein, dann ist vom Aufleuchten der Scheinwerfer bis zum Schließen des Bühnenvorhangs beste Unterhaltung für kleine und große „Kinder“ garantiert. [...]
Dass die Zuschauer bis zum Schluss aufmerksam waren und schließlich tosenden Applaus spendeten, zeigt, dass auch Kindertheater nicht nur lustig sein muss, sondern – wenn es gekonnt gemacht ist und nichts übertrieben wird – durchaus auch sentimental oder lehrreich sein darf.
Schwäbisches Tagblatt, 2. März 2015
(von Dorothee Hermann)
Eine zauberhaft-vergnügliche Premiere mit Monstermusical am Jungen LTT
Ein vegetarisches Monster in einem magischen Bilderreigen: Der LTT-Musiker Heiner Kondschak hat ein Kinderbuch von Paul "Sams" Maar in ein so kurioses wie zauberhaftes Kindermusical verwandelt. Am Freitagabend war Premiere.
Manche Leute haben den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als ihre goldenen Kronen zur Schau zu tragen und eingebildet bis gnädig in die Gegend zu gucken. Aber wenn die Zeit vergeht, gibt es auch bei ihnen Einschnitte wie bei allen anderen. Prinzessin Henriette-Rosalinde-Audora (Magdalena Flade) mit den sorgfältig gedrehten blonden Korkenzieherlocken ist 18 und soll heiraten. Bei königlichen Familien im Märchen geht das nicht ohne allerlei Mutproben ab. Deshalb heißt das Musical "In einem tiefen dunklen Wald", genau wie das gleichnamige Kinderbuch von Paul Maar, der als Ehrengast das hingerissene Tübinger Premierenpublikum erlebte.
Am Anfang sieht alles harmlos genug aus, und fast karg dazu: Zwischen einem prächtigen goldenen Rahmen, der die Bühne einfasst wie bei einem Theater von einst, und seinem kleineren Gegenstück an der Bühnenrückseite stehen zwei dunkelrosa Samtsesselchen und ein gleichfarbiges Schemelchen. Es gibt vier wolkige Schafe, zwei links, zwei rechts. Die aparten Hinweise, dass diese Königs in der tiefsten Vergangenheit leben, wo beispielsweise eine rosa Badezimmermatte ein ganzes Reich markiert, kommen erst mit den Figuren ins Spiel.
Musical-Autor Heiner Kondschak (Gitarre, Mandoline, Gesang) saß bescheiden am Bühnenrand links. Gemeinsam mit Bernhard Mohl (Violine, Gesang) am gegenüberliegenden Ende der Bühne intonierte er Songs, die die Szenen wie eine Erzählerstimme miteinander verbanden - und dem Prächtig-Prächtig-Ambiente etwas Kindlich-Lustiges gaben. Die Musik schien in den Hintergrund zu treten, je vertrackter die Verwicklungen zwischen Mensch und Mensch und erst recht zwischen Prinzessin und Monster wurden.
Mit zunehmender Spannung konnte sich ein köstlicher Zwiespalt ergeben. Einerseits folgten die Zuschauer gebannt dem dramatischen Geschehen. Andererseits waren sie vollauf damit beschäftigt, zu registrieren, wie dämonisch Augen funkeln, wenn ein schwarzer Vollbart die untere Gesichtshälfte verdunkelt (Bühne und Kostüme: Ilona Lenk), ganz wie bei den feierlichen Herren auf historischen Fotografien. Oder welche Halskrause, Kappe oder welches Reifröckchen einander nun schon wieder die Show stahlen. Wenn man nicht eh auf den niedlichen Horizont mit den Schafen blickte, der viel mehr war als eine harmlose ländliche Kulisse. Die gemütlichen Grasfresser sind gleich dem biblischen Lamm ein Signal, dass an diesem Ort niemand gefressen wird, weder Mensch, noch Tier.
Der zweite Rahmen erweitert die Bühne wie ein Spiegelkabinett. Wie im Märchen oder nachts im Dunkeln weiß man nicht, wo sich noch unerwartete Bedeutungen, Verzerrungen oder ganze Räume auftun können - was die Aufführung mit Elementen von Schattentheater und Panorama unterstreicht.
Die unfreiwillige Begegnung zwischen Prinzessin und (verzaubertem) Untier ist als Märchenmotiv ein Klassiker ("Die Schöne und das Biest"). Das LTT-Musical (beziehungsweise Paul Maars Kinderbuch) macht es geschickt wieder interessant: Die Tragik, nicht aus seiner Haut zu können, trifft nicht allein das Monster. Es gibt noch etliche andere Figuren, die als Charakter so festgefahren sind, dass sie darüber das Glück verpassen. Deshalb hält die Inszenierung auch nicht das übliche Ende bereit. Es weist einen anderen möglichen Ausweg, ebenso vielfach märchenerprobt: Einfach einmal in eine andere Rolle schlüpfen, und das nicht so sehr aus Eigennutz, sondern auch, um jemand zu helfen.
Junges-Theater-Altstar Rupert Hausner war in ungewohnter Grandezza als Prinz zu sehen - wenn er nicht gerade als Diener seine Aufwartung machte. Und wer steckt wohl im schwarz bepelzten Inneren des Untiers?
Unterm Strich
Findet kuriose neue Facetten im Märchenklassiker von der Schönen und dem Biest. So amüsant das gelingt, vergisst die Inszenierung nie die Tragik des Stoffs: nicht aus seiner Haut heraus zu können - und einem anderen ausgeliefert zu sein. Nebenbei werden eventuelle Monarchie-Sehnsüchte flugs entzaubert.
Reutlinger Nachrichten, 2. März 2015
(von Kathrin Kipp)
Wo Heiner Kondschak ist, da spielt auch die Musik. Und so hat das Junge LTT Paul Maars Untier-Märchen "In einem tiefen dunklen Wald" als Kindermusical mit viel Dollerei aufgepeppt: für Zuschauer ab sechs.
In einer Zeit, als es noch kein elitepartner.de gab und die Königreiche klein wie Badezimmerteppiche waren, waren auch die Prinzessinnenhochzeiten eher pragmatische Unternehmungen, um Reichtum, Macht, Grund und Boden zu vermehren. Aber weil's im Märchen immer auch ein wenig romantisch zugehen muss, wünscht sich die dünkelhafte, eitle, eigensinnige und verwöhnte Prinzessin Henriette-Rosalinde-Audora nicht nur einen reichen, sondern auch eine stolzen, heldenhaften und schönen Recken.
Bei ihrer Männersuche erweist sie sich als erstaunlich pfiffig: Sie will sich einfach von einem Untier entführen lassen, um dann von einem tollen Prinzen be- und gefreit zu werden. Um kein Härchen gekrümmt zu bekommen, sollte das Untier Vegetarier sein und sich auch sonst nichts aus Prinzessinnen machen.
Aber wie immer kommt's dann anders als geplant. Kinderbuchkultautor Paul Maar hat sich im Jungen LTT sogar persönlich angeschaut, wie Heiner Kondschak die Geschichte - in der gängige Märchen- und Geschlechterklischees auf den Kopf gestellt werden - mit viel Musik und Gesang kurzweilig aufbereitet hat. Kondschak agiert selbst auf der Bühne und spielt im Duett mit Geiger Bernhard Mohl die Rahmenhandlung.
So übernimmt er vor einem überdimensionalen Bilderrahmen mit Gitarre, Mandoline, Flöte, Geige und Chor die Rolle des musikalischen Erzählers und Atmosphärengenerators - etwa, wenn mal wieder eine landliebliche Melodie gebraucht wird oder die Figuren von Sehnsucht, Übermut oder Panik gepackt werden.
Ilona Lenk (Austattung) hat für den Hintergrund wieder Schattenspiele organisiert, welche die hochadlige Szenerie bebildern. Die Drachen, Wälder, Schafe und Schlösser im Hintergrund erinnern ein klein wenig an die Märchenoper neulich am Tonnetheater. Aber auch da mussten ja wackre Helden und mutige Damen in tiefen dunklen Wäldern gefährliche Abenteuer meistern und über sich hinauswachsen, um an ihr Glück zu kommen, wie das im Märchen nun mal so ist.
Was die Kostüme anbelangt, orientiert man sich am Stil von Paul Maars Illustratorin Verena Ballhaus. Vor allem das Untier scheint direkt dem Buch entsprungen zu sein: Rupert Hausner steckt in einem wuscheligen schwarzen Fell, hat eine Riesen-Nase und noch größere Füße, aber keine Ohren, dafür einen Restkranz Haare - eine Kreuzung aus watschelndem Clown und kuscheligem Tanzbär.
Das goldige Dingens ist so zahm, dass es selbst unter der Kandare der immer zickigeren und herrschsüchtigeren Henriette (Magdalene Flade) nicht ausrastet. Das Untier hat seine eigene tragische Geschichte und wartet darauf, erlöst zu werden. Wenn's sein muss, auch von so einer "dummen Pute" wie Henriette. Im Übrigen riecht das Untier ein wenig streng, hat eine Schwäche für Pralinen und kann sich nicht so richtig verständlich machen: begrenzter Wortschatz, unverständlicher Dialekt.
Nur wer ein wahres, reines und offenes Herz hat, kann dieses liebe Vieh verstehen. Da braucht's natürlich den wachen Verstand und den guten Mut der Prinzessin Simplinella (Linda Lienhard). Nachdem ihre Brüder daran gescheitert sind, Henriette zu befreien, weil sie immer an die falschen falschen Untiere geraten sind, fasst sich Simplinella ein Herz, verkleidet sich als Junge, büxt aus, trifft unterwegs auf den feschen Küchengehilfen Lützel (Dimetrio-Giovanni Rupp) und stürzt sich mit ihm gemeinsam ins Abenteuerland.
Und so meistern auch die vier LTT-Mimen ganz hervorragend das Abenteuer ständiger Rollen- und Kostümwechsel, so dass auf der Bühne eigentlich immer was geboten ist: schöne Bilder, fahrbare Märchenbäume, schrille Charaktere, goldige Szenen, erfüllte und unerfüllte Märchenklischees, lustige Gags, gefühlvolle Musik, märchenhafter Gesang.
Auch als Versuchstiere geben die Schauspieler alles, so realistisch blöken vermutlich nicht einmal echte Schafe. Weniger realistisch, sondern gewollt überdreht und durchgeknallt geht es wiederum bei den verschiedenen Königs zu, die gerne mal laut kreischen und gackern und über die komischen Nachbarn hinterm Gebirge lästern, während sie selbst nicht die hellsten Sterne am Firmament sind.
Aber wie so oft stellt sich bald heraus, dass auch mit den Ausländern gut Kirschen essen ist, wenn man nur will. Und dass auch die seltsamsten Untiere meist nur verwunschene Prinzen sind, die man lediglich küssen muss, um sie in reiche, schöne, tolle Prinzen zu verwandeln. Ob man sie deshalb immer gleich heiraten muss, das wiederum steht auf einem anderen Blatt.
Die Deutsche Bühne online, 2. März 2015
(von Manfred Jahnke)
Crossoverkritik
Heiner Kondschak: In einem tiefen, dunklen Wald
Wenn eine Prinzessin 18 wird, muss sie heiraten. So war es jedenfalls einmal. Aber Prinzessin Henriette-Rosalinde-Aurora ist nicht nur hochmütig, sondern auch extravagant: Sie will sich von einem Untier entführen und von einem Helden, den sie dann heiraten wird, befreien lassen. Aber verspeist werden möchte sie auch nicht, so macht man sich auf die Suche nach einem zahmen Untier, das man mit Hilfe einer Schafprobe auch findet. In einem anderen kleinen Reich muss sich Prinzessin Simplinella gegen die Geschlechtsrollenvorurteile ihrer Eltern durchsetzen. Nachdem ihre Brüder auf der Suche nach Henriette versagen, macht sie sich mit den Sachen eines Bruders heimlich auf den Weg. Gemeinsam mit dem Küchenjungen Lützel gelingt es ihr, Henriette zu befreien. Aber diese ist not amused, als sich der Held als Frau erweist. Dann zeigt es sich, dass in dem Untier ein verzauberter Prinz steckt, den Simplinella schließlich erlöst. Aber auf den Heiratsantrag geht sie erst einmal nicht ein. Erst in einem Jahr soll es ein Happy-end geben.
1999 hat Paul Maar diese mit vielen Märchenmotiven durchsetzte Geschichte als Erzählung mit den Bildern von Verena Ballhaus veröffentlicht. „In einem tiefen, dunklen Wald…“ wurde noch im gleichen Jahr vom Autor dramatisiert. 2015 nun gibt es endlich auch eine Kindermusicalfassung. Heiner Kondschak ist an seinen einstigen Wirkungsort Tübingen zurückgekehrt, wie so oft gleichzeitig als Bearbeiter-Autor, Regisseur, Komponist, Arrangeur und als Musiker auf der Bühne. Die Melodien sind eingängig, man ertappt sich dabei, wie die Füße mit dem Rhythmus mitgehen und man hat das Gefühl, die melodischen Folgen zu kennen. Vorherrschende Instrumente sind Gitarre (Heiner Kondschak) und Geige (Bernhard Mohl). Die musikalischen Arrangements mit durchaus sentimentalen Tendenzen folgen der Dramaturgie der Vorlage, an deren dramatische Fassung sich Kondschak weitgehend hält. Neben Verschlankungen der Handlungsstränge werden vor allen Dingen die epischen Erzählmomente in musikalisch arrangierte Chöre umgeformt.
Für die Uraufführung am „Jungen LTT“ hat Ilona Lenk zwei Bilderrahmen als dominierende Bühnenbildelemente gesetzt. Einer schließt die Bühne zum Zuschauerraum hin ab, davor sitzen rechts und links die beiden Musiker. Der andere Rahmen steht im Hintergrund, bespannt mit einer Leinwand für Schattenspielelemente. Dazu kommen zwei große Sessel und ein Hocker, alle auf Rollen, für die Hofszenen und vier stilisierte Bäume für den tiefen, dunklen Wald. Aktionsszenen werden mit Mitteln des Kinderspiels ausgedrückt und eher epische Passagen in Schattenspiel umgesetzt. Die Kostüme sind märchenhaft bunt. Alles ist wie geschaffen für schnelle Szenenwechsel. Wie immer setzt Kondschak in seiner Regie auf das komödiantische Spiel der Darsteller. Das vierköpfige Ensemble wechselt mit Lust ständig die Rollen. Dabei gelingt es insbesondere Magdalena Flade z.B. hinter der Arroganz ihrer Henriette auch die dahinterliegenden Emotionen sichtbar zu machen. Linda Lienhard gestaltet ihre Simplinella als aufmüpfige Göre, während Dimetrio-Giovanni Rupp seinen Küchenjungen eher tumbe Züge gibt. Rupert Hausner gelingt es in seinen Rollen auf überzeugende Weise mit seinem trockenen Humor, zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit zu balancieren – wie die gesamte Inszenierung, die die Erfolgsgeschichte des „Jungen LTT“ fortschreibt.
Reutlinger General-Anzeiger, 2. März 2015
(von Dagmar Varady)
Heiner Kondschaks neues Kindermusical unterwirft bekannte Märchenmuster einem Musik- und Lachtest: Bejubelte Uraufführung von »In einem tiefen, dunklen Wald«
Wenn Heiner Kondschak auf Paul Maar trifft, erwartet man unweigerlich etwas höchst Originelles. Und in der Tat sprüht Heiner Kondschaks neues Theatermärchen vor Witz und Humor. Neben dem Titel »In einem tiefen, dunklen Wald« lässt sich die Bezeichnung »Kindermusical von Heiner Kondschak nach Paul Maar« lesen. Nur kann die Bezeichnung »Musical« ein wenig in die Irre führen, denn im Gegensatz zu den Bereichen Schauspiel, Musik und Gesang wird der Tanz hier nicht berücksichtigt.
In der Werkstatt des Landestheaters fand am Freitagabend die Uraufführung dieses heiteren Stückes statt, bei welcher auch Paul Maar zugegen war. Kein Wunder, dass alle Stühle besetzt waren, zumal eine Signierstunde mit dem Sams-Erfinder im Anschluss die Anziehungskraft noch ein wenig erhöhte. Doch wer könnte auch einer Mischung aus Maar, Kondschak und dem originellen Spiel mit Märchenstereotypen widerstehen?
Verwöhnte Prinzessin
Winzige, teppichgroße Königreiche bilden zunächst den Schauplatz dieser Geschichte (Ausstattung: Ilona Lenk). Könige und Königinnen drängen sich auf einem kleinen Badezimmerteppich aneinander und bedauern die Knappheit ihres Reiches. Eine typische Prinzessin ist Heinriette-Rosalinde-Audora (Magdalena Flade): arrogant, verwöhnt, mit blonden Korkenzieherlocken, rosa Reifröckchen und gekünstelten Bewegungen. Natürlich möchte sie einen mutigen Helden heiraten, und so wird der Plan von einer Entführung durch ein Untier, aus dessen Herrschaft sie ein verwegener Prinz befreien soll, in die Tat umgesetzt.
Das vegetarische und somit gefahrlose Untier (Rupert Hausner) ist gefunden worden, doch das Klischee des mutigen Prinzen wird leider nicht erfüllt: Einer nach dem anderen scheitert an der Aufgabe. Stattdessen gelingt es der durchaus atypischen Prinzessin Simplinella (Linda Lienhard), in Begleitung des Küchenjungen Lützel (Dimetrio-Giovanni Rupp) zu Untier und vermisster Prinzessin in den tiefen, dunklen Wald vorzudringen.
Doch hätte Heinriette-Rosalinde-Audora besser auf ihren »Entführer« gehört, hätte sie diesen als verzauberten Prinzen sogleich zum Mann nehmen können. Nur Simplinella erkennt hinter dem gebrummten Ausdruck »Konochssohn« (das Untier spricht leider nur den Vokal »o«) kein »kann ich sehen«, sondern den »Königssohn« und erlöst ihn mit einem Kuss aus der Hülle des stinkenden, langnasigen und riesenfüßigen Untiers.
Theater, Musik, Schattenspiel
An dieser charmanten Geschichte hat sich Kondschaks Fantasie entzündet. Eng hat er sich an Maars Buch angelehnt, vieles wörtlich übernommen. Die Umsetzung des Ganzen ist indessen mal wieder ganz Kondschak: eine mitreißende Mischung aus gespielten Szenen, musikalischen Einlagen und Schattenspielen. Besonders originell sind die Schattenspiele, meist in Form kleiner Figürchen, um eine Schafherde oder einen herannahenden Prinzen darzustellen. Aber auch der erlösende Kuss wirkt hier sehr apart.
Gerade die Schattenspiele werden oft musikalisch begleitet. Kondschak selbst ist außer Autor und Regisseur zugleich Komponist, Musiker und Sänger. Mit Gitarre, Mandoline, Whistle und Gesang bringen er und Bernhard Mohl (Violine und Gesang) oft musikalische Einlagen, um von weiterem Geschehen zu berichten. Doch auch die Schauspieler bilden des Öfteren einen kleinen Chor und leiten von Geschehen zu Geschehen. Gekonnt und passend sind die jeweiligen musikalischen Einlagen: verspielt-witzige Klänge für die Schafherde oder höfische Weisen für die Königshöfe.
Das Publikum, bestehend aus Kindern ab sechs Jahren und auch vielen Erwachsenen, zeigte sich vollauf begeistert in Form von herzhaftem Lachen und nicht enden wollendem Applaus, welcher auch für die ausgezeichneten und wandelbaren Schauspieler mit ihren ständig wechselnden Rollen und ebenso für das Bühnenbild und die herrlichen Kostüme Ilona Lenks galt.
Schwäbisches Tagblatt, 26. Februar 2015
(von Susanne Schmitt (LTT-Vorbericht))
Heiner Kondschaks musikalische Märchenparodie "In einem tiefen, dunklen Wald" nach Paul Maar hat morgen Premiere
Der Theater-Tausendsassa Heiner Kondschak hat sich für die morgige Premiere am Jungen LTT Paul Maars „In einem tiefen, dunklen Wald“ zur Vorlage genommen. Der berühmte Erfinder des Sams, der sich auch zur Premiere angekündigt hat, spielt in diesem Buch auf äußerst humorvolle Weise mit Märchenmotiven – und Kondschak tut es ihm gleich. Dramaturgin Susanne Schmitt sprach mit ihm-
Susanne Schmitt: Die Musicalfassung „In einem tiefen, dunklen Wald“ basiert auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Paul Maar. Wie nah ist Ihr Musical an Maars Geschichte angelehnt? Und welche Rolle spielt die Musik in Ihrer Bearbeitung?
Heiner Kondschak: Zunächst einmal passt das Wort „Musical“ wohl nicht so ganz für diese Inszenierung. Unter „Musical“ versteht man gemeinhin ein Theaterstück, das vom Gesang und Tanz geprägt ist. Aber hier wird gar nicht getanzt. Bei mir haben wir es eher vielleicht mit einem „Theaterstück mit Musik“ zu tun. Gesungen werden fast ausschließlich Chöre, die von einer Szene in die andere führen, eher fast wie der antike griechische Chor. Eine Solo-Arie, die den Gefühlszustand einer der Hauptpersonen reflektiert – ein typischer Musicalbestandteil – , gibt es nur einmal, nämlich bei Simplinellas Lied.
Ansonsten bin ich sehr nah an Paul Maars Geschichte geblieben, weil sie gut erzählt und mit sehr witzigen Dialogen gespickt ist. Viele davon habe ich einfach übernommen und gegebenenfalls nur etwas gekürzt.
Susanne Schmitt: Maars Buch zeichnet sich durch ein ganz besonderes Verhältnis von Text und Illustration aus – mal wird fast ausschließlich über Bilder erzählt, mal über Text. In wieweit hat diese Form auch Ihre Fassung, Ihre Inszenierung beeinflusst?
Heiner Kondschak: Das besondere Verhältnis von Text und Illustration habe ich versucht, auf zwei Arten wiederzugeben: Einerseits findet sich diese ungewöhnliche Konstellation in den Liedern wieder, wobei wir da sogar einige der Bilder nachstellen; andererseits haben meine Kostüm- und Bühnenbildnerin Ilona Lenk und ich mit dem Ensemble etliche Schattenspiele erarbeitet, um dieser ungewöhnlichen Buch-Idee auf der Bühne gerecht zu werden.
Susanne Schmitt: Paul Maar spielt mit zahlreichen Märchenklischees, „In einem tiefen, dunklen Wald“ ist an vielen Stellen geradezu eine Märchenparodie. Was reizt Sie am Umgang mit Märchenfiguren, mit Märchenthemen und mit deren Klischees?
Heiner Kondschak: Das Thema „Märchen“ interessiert mich eigentlich nicht besonders. Im Gegenteil: einige Märchen, wie zum Beispiel „Hänsel und Gretel“, finde ich fürchterlich grausam. Paul Maar dagegen spielt mit vielen Märchenklischees – und zwar so intelligent und liebevoll, dass es ein großes Vergnügen ist. Bis auf die beiden Hauptfiguren der zweiten Hälfte, also Simplinella und Lützel, leben alle Figuren in einer völlig entrückten Märchenwelt, ohne dass sie selber das wirklich wissen. Es macht viel mehr Spaß, eine Welt zu parodieren, die man eigentlich ziemlich bekloppt findet, als eine Welt, die man liebt.
Susanne Schmitt: Wenn Sie, wie bei „In einem tiefen, dunklen Wald“, eine Stückfassung schreiben, die Musik komponieren, Regie führen und auch noch selbst als Musiker und Sänger mitspielen – wie funktioniert da Ihr Schaffensprozess? Denken Sie das alles gleich von Anfang an mit, wenn Sie so eine Produktion beginnen oder arbeiten Sie die vielen Funktionen nacheinander ab?
Heiner Kondschak: Schon beim ersten Lesen des Buches habe ich mir Notizen gemacht, zum Beispiel „Hier brauchen wir ein Lied.“ oder „Das wird ein Schattenspiel.“ oder Ähnliches. Und dann passiert alles gleichzeitig, und manchmal geht es sogar ziemlich durcheinander: Ich schreibe Dialoge, Liedtexte, Melodien – manchmal ohne dass ich schon einen Liedtext habe, manchmal habe ich schon ein paar Zeilen und eine erste Melodie, und manchmal schreibe ich einen Liedtext, ohne dass ich weiß, wie ich es vertonen werde.
Erst später sortiere ich alle diese Bruchstücke und ergänze sie und füge sie in einen Zusammenhang. Das funktioniert natürlich nur, wenn es, wie in diesem Fall, bereits eine vorhandene Geschichte gibt. Bei Theaterstücken, die ich mir komplett ausdenke, gehe ich ganz anders vor.
Susanne Schmitt: Ist „In einem tiefen, dunklen Wald“ eigentlich Ihre erste Beschäftigung mit einem Text von Paul Maar?
Heiner Kondschak: Nein, ich kenne Paul Maar seit 1995, als ich für das Theater „Die Pfütze“ in Nürnberg die Bühnenmusik für die Uraufführung der Theaterfassung seines Buches „Lippels Traum“ komponierte. Zur Premiere schenkte er mir damals sein Bilderbuch „Der Aufzug“. Irgendwann kam mir dann die Idee, aus diesem Bilderbuch ein Theaterstück zu machen, was Paul Maar sich allerdings überhaupt nicht vorstellen konnte. Erst ein längerer Besuch meinerseits bei ihm zu Hause in Bamberg konnte ihn dann halbwegs überzeugen. Daraus wurde dann ein recht erfolgreiches Theaterstück am Jungen LTT. Das war 1999.