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Schauspiel für ein Mädchen und sein Telefon von Thilo Reffert
Uraufführung
10+
Schwäbisches Tagblatt, 25. April 2017
Ein Handy drängt auf die Bühne
(von Dorothee Hermann)
Thilo Reffert nimmt sich in "Milas Welt" das Innenleben des Smartphones einer Zwölfjährigen vor - im "Schauspiel für ein Mädchen und sein Telefon".
Die erste Überraschung ist das Mädchen im blauen Arbeitsanzug (Angelina Berger). Denn sie trägt auch noch eine goldglitzernde Weste, behängt mit unglaublich viel buntem Krempel, als wäre sie bereit für den Start ins All. Vielleicht ist sie auch einfach eine fähige Problemlöserin für all die kniffligen Zwickmühlen im (Teenie-)Alltag, die so gemein an einem nagen können (großes Kompliment an Bühne und Kostüme: Hannah Krauß).
Die Stimmung amüsierten Staunens zieht sich durch. Wo es sonst heißt, "Handys bitte ausschalten!", drängt in der Uraufführung von "Milas Welt - Schauspiel für ein Mädchen und sein Telefon" am Jungen LTT (Regie: Grete Pagan) ein Mobiltelefon auf die Bühne: Die Pionierin im Blaumann verkörpert all das, was ein Handy kann - samt Chatpartnern, Sprachnachrichten, Oma und bester Freundin.
Die Premierenzuschauer im Landestheater Tübingen (LTT) am Samstagnachmittag ließen sich gerne von der fiebrigen Erwartung vor dem Display anstecken, diesmal ungewohnt analog und dreidimensional zu erleben.
Das in seine Funktionen aufgesplittete Smartphone gehört Mila (überzeugende Identifikationsfigur, quirlig und schlau: Magdalena Flade). Die sitzt in einem kuscheligen Hotelzimmer in Berlin. Es ist Abend. Vor dem Fenster glitzert der Fernsehturm. Die Eltern sind ausgegangen. StattMila Gesellschaft zu leisten, hat sich die große Schwester Lara heimlich aus dem Staub gemacht, um in die Berliner Clubszene einzutauchen.
Mila nimmt es leicht, denn sie freut sich schon darauf, endlich mit ihrem Mobiltelefon allein zu sein, um gemütlich zu texten, zu chatten und zu gucken, was sich in ihrer Klasse so tut. Wird es doch mal für einen Augenblick langweilig bis trostlos, schlägt das Tausendsassa-Handy selber etwas vor: "Machen wir ein bisschen Musik?"
Es ist großartig, was Autor Thilo Reffert ("Nina und Paul") aus den mageren Zutaten - Mädchen und Smartphone - herausholt, und das auch noch analog. Ganz ohne pädagogischen Zeigefinger bricht das Stück die typische Selbstbezüglichkeit von Handybenutzern jeden Alters auf. Das geschieht auf so amüsante Weise, dass sich auch jugendliche Digital Natives gern darin wiedererkennen dürften. Chats, Anrufe, Nachrichten, Spiele, Videos und Musik materialisieren sich auf der Theaterbühne und liefern erfrischende Gags.
Reffert hat sich das Innenleben eines Handys mit gewitzter Beobachtungsgabe vorgenommen. Für ältere Zuschauer bietet die Inszenierung einen kurzweiligen Einstieg in eine bisher vielleicht skeptisch beäugte Kommunikationsform. Das Stück unterschlägt nicht die Gefahren, die im kommunikativen Schnellschluss lauern: Wenn Mitschüler irgendein Stichwort mitbekommen und sofort finsterste Assoziationen äußern. Gerade dann, als es Mila selbst unbehaglich wird, muss sie sich anhören, dass Eltern vor allem für sich sein möchten, wenn sie über die anstehende Scheidung reden wollen. Die beste Freundin ist offline und unerreichbar. Und zwischendurch dämmert es Mila, dass alle Spaß haben, und nur sie "allein im Schrank" sitzt.
Als wäre das alles nicht genug, hat Reffert noch einen Großstadtkrimi eingebaut. Die große Schwester ist irgendwo in der kalten Berliner Nacht verlorengegangen, und nur Mila kann helfen. Doch das Stück macht auch klar, dass ein noch so lustiges Smartphone die Sehnsucht nach einer richtigen Freundin nie aufwiegt. Autor Reffert, geboren 1970 in Magdeburg, hat überhaupt nicht vor, die Handykultur zu verteufeln. Er sagt: "Die Rettung für Mila liegt nicht im Ausschalten ihres Handys, sondern im Einschalten ihres Kopfes."
Unterm Strich
Was will ein Smartphone im Theater? Wer sich das nicht vorstellen kann, wird von dieser vergnüglichen Inszenierung ruckzuck eines Besseren belehrt. Das Schönste daran: Alles funktioniert komplett analog, obwohl das Stück dauernd Handy-Gepflogenheiten zitiert. Das ist eine lustige Travestie und bleibt spannend, obwohl die Welt, in diesem Fall das Berliner Nachtleben, draußen bleibt.
Reutlinger General-Anzeiger, 24. April 2017
Ein Smartphone als beste Freundin in »Milas Welt«
(von Nadine Nowara)
Das Junge LTT zeigt mit »Milas Welt« einen kreativen Blick auf digitale Welten
Mila macht mit ihrer Familie Urlaub in Berlin. Ihre Eltern sind ausgegangen und ihre große Schwester Lara treibt sich in der Bundeshauptstadt herum. Mila ist im Hotelzimmer (Ausstattung: Hannah Krauß) geblieben, aber sie ist nicht allein – sie hat ja ihr Smartphone. Am Samstagnachmittag unterhielt die Uraufführung des Stücks »Milas Welt« von Thilo Reffert (Regie: Grete Pagan) im LTT das Tübinger Publikum ganz vortrefflich. Die Zuschauer erwartet ein Knallbonbon voll bunter Kreativität.
Milas Smartphone wird mit viel Witz und Spielfreude von Angelina Berger dargestellt. Wie bei einer Ein-Frau-Kapelle ist an ihrem Kostüm viel Krempel und Geräusche erzeugender Kram angebracht. Hupen, ein Dosentelefon und weitere Überraschungen kommen im Laufe der Vorstellung zum Einsatz. Die digitalen Welten werden so auf eine ganz eigene Art zum Leben erweckt. Der Ideenreichtum der Inszenierung ist kaum zu überbieten. Jede Smartphone-Funktion wartet mit einer Überraschung auf. [...]
Schwäbisches Tagblatt, 22. April 2017
(von Susanne Schmitt (LTT-Vorbericht))
Und wie spielt man eigentlich ein Telefon? Das Junge LTT widmet sich mit Thilo Refferts „Milas Welt“ der digitalen Gegenwelt.
Am heutigen Samstag bringt das Junge LTT das neueste Stück des Theater- und Hörspielautors Thilo Reffert zur Uraufführung: „Milas Welt“, ein Schauspiel für junge Leute ab 10 Jahren aufwärts. Dramaturgin Susanne Schmitt sprach mit der Regisseurin Grete Pagan und der Ausstatterin Hannah Krauß über Smartphones und Chats auf der Theaterbühne.
Susanne Schmitt: „Milas Welt“ ist ein Stück für zwei Schauspielerinnen. Davon spielt eine Mila, ein fast zehnjähriges Mädchen alleine in einem Hotelzimmer. Wenn sie alleine ist – wen oder was spielt dann die andere Schauspielerin?
Grete Pagan: Magdalena Flade alias Mila ist nur in der nicht-digitalen Welt allein. Über ihr Smartphone ist sie mit ihren Freunden und ihrer Familie ständig in Kontakt. Und auch mit der restlichen Welt. In ihrem Hotel gibt es nämlich superschnelles Internet. Die andere Schauspielerin, Angelina Berger, spielt quasi das Tor zu Milas Welt. Sie spielt alle Nachrichten, Anrufe, Videos, Chats und was eben sonst noch so auf dem Smartphone eines Beinahe-Teenagers los ist. Im Prinzip spielt sie Milas Telefon.
Thilo Reffert wünscht sich für sein Stück, dass Milas digitale Welt nicht technisch repräsentiert werden soll. Wie geht ihr damit um?
Krauß: Wir freuen uns drüber, das ist eine schöne Ansage. Er zwingt uns damit, nach den analogen Möglichkeiten zu suchen.
Pagan: Wir müssen die unterschiedlichen Kommunikationsformen soweit dekonstruieren, bis wir etwas finden, das wir auf der Bühne darstellen können. Also die Frage: Was unterschiedet einen geschriebenen Chat von einem Telefonat oder einer Sprachnachricht? Ich glaube, dass der Chat für die Digital-Natives eine der normalsten, selbstverständlichsten Kommunikationsformen überhaupt ist. Er ist heute das, was ein nicht-digitales Gespräch schon lange war.
Wie stattet man ein Stück aus, das sich zum größten Teil in Milas Smartphone abspielt?
Krauß: Bunt und plakativ, funktionsgerichtet, vielleicht ein bisschen flach. Alles hat ein „Logo“. Und man bildet genau das ab, worum es geht.
Pagan: Es gibt die zwei Welten, von denen ich vorher gesprochen habe, auch auf der Bühne: einmal die nicht-digitale Welt – Mila in ihrem Hotelzimmer. Das haben wir ziemlich wiedererkennbar ausgestattet. Und dann ist da eben noch Milas Welt. Diese Welt bringt alles mit, was sie braucht, da gibt es weder rationale Logik noch Grenzen. Lassen Sie sich überraschen!
Ist die digitale Kommunikation in „Milas Welt“ ein Mittel zum Zweck oder ist sie das eigentliche Thema des Stückes?
Pagan: Beides. Thema ist sie eigentlich nur in der Form, die Thilo Reffert gewählt hat – indem er sie „vermenschlicht“, können wir ihre Eigenarten schön beobachten. Und Mittel zum Zweck deshalb, weil sie für Mila eben total selbstverständlich ist. Denn eigentlich geht es um Mila: Ein ziemlich unscheinbares, unauffälliges Mädchen, das sich durch die digitale Welt zappt, bis eine Notsituation der Schwester sie herausfordert, etwas zu leisten. Da stellt sich heraus, dass sie zu viel mehr fähig ist, als sie selber je dachte – und das nicht nur in der digitalen, sondern auch in der nicht-digitalen Welt, wobei ihr erstere eine ziemlich große Hilfe ist. Und nebenbei geht es um Freundschaft, Geschwister, Eltern, um Berlin und ein kleines bisschen auch um die Liebe.