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Uraufführung
Schwarzwälder Bote, 15. Dezember 2017
Hohe Musikalität mit trockenem Humor
(von Christoph Holbein)
Inszeniertes Konzert von Heiner Kondschalk ist etwas für eingefleischte Liebhaber alter Songs
(…) An „Leo's“ Tankstelle mit nur einer Zapfsäule, Stapeln von alten Reifen und einem aufgebockten zu reapierenden alten Transporter – für das Bühnenbild zeichnet Sandra Fox verantwortlich – erzählen die fünf Protagonisten die fiktive Geschichte ihrer Band, träumen von einer Karriere auf den internationalen Rock'n'Roll-Bühnen, während sie bei ihren Auftritten nie viel weiter als bis nach Renningen kommen, sinnieren über Höhen und Tiefen, über Hoffnungen und Träume und spielen noch einmal die alten Songs. Witzig, mit trockenem Humor entwickelt sich unter der muskalischen Leitung und Regie von Heiner Kondschak, der zudem noch den zerzausten Tankwart Leo mimt, ein Spiel mit netten Dialogen, ein bisschen Comedy, vor allem aber mit enormer instrumentaler Kraft: Von Saxofon über Mundharmonika, diversen Gitarren, E-Piano, Akkordeon bis hin zu Flöte und Melodica ist eine breite Palette an Instrumenten zu hören, vom Ensemble bestens beherrscht. Gewürzt mit Gags und fast sketchartigen Einlagen erhebt die Inszenierung gar nicht den Anspruch, ein Theaterstück zu sein, eher eine mit manchmal flachen Dialogen verbundene Nummernfolge der verschiedenen Hits. Das ist musikalisch gut umgesetzt und fundiert erarbeitet, wohl tönend arrangiert und ohrschmeichelnd gesungen. Und birgt manchen originellen Einfall, etwa wenn Kondschak die Beatles auf Schwäbisch interpretiert. Das Publikum klatscht mit und scheint begeistert. Zwischendurch gibt es auch mal Liedtexte, die zum Nachdenken anregen. Und obwohl die Übergänge zu den einzelnen Songs etwas gekünstelt daher kommen, ist es für die Zuhörer ein amüsanter Abend, der vor allem eines will: unterhalten, was auch gelingt.
Das liegt auch an den gut gesungenen Soli, an den immer wieder wechselnden Outfits der Akteure, an den Pointen und an den humorvollen musikalischen Eigen-Kreationen. Dabei ist den gut aufgelegten Schauspielern die Freude am Auftritt anzuspüren. Ein Übriges zum Vergnügen des Publikums fügt das Lokalkolorit bei, etwa wenn man sich kennengelernt hat im Bus von Tübingen nach Hirschau. Da ist dann die Handlung wirklich nicht mehr so wichtig und nur ein Füllsel, um von einem Song zum anderen überzuleiten. Den Zuschauern jedenfalls gefällt es, sie erklatschen sich zwei Zugaben.
Reutlinger Nachrichten, 8. Dezember 2017
(von Kathrin Kipp)
"On The Road Again - Von der B27 auf die A8": Mit seinem inszeniertem Konzert baut Heiner Kondschalk allen emsigen Provinz- und Coverbands ein musikalisches Denkmal.
Welcher halbwegs musikinteressierte Mensch träumt sich nicht manchmal in eine grenzenlos berauschte Rock‘n‘Roll-Freiheit hinein? Geht dann aber frustriert in seinen Reihenhäusles-Keller und ordnet einmal mehr seine Plattensammlung nach den absonderlichsten Kriterien. Der schwerst mehrfach begabte Theater-Rock‘n‘Roller Heiner Kondschak jedenfalls nutzt die Fluchtphantasien und Nostalgieattacken seines Publikums immer wieder schamlos aus, mit seinen theatralischen Musik-Abenden über Rio Reiser, Woody Guthrie, Bob Dylan, Pete Seeger oder den gesamten 27erClub. „Forever 27“ läuft nun auch schon seit drei Jahren sehr erfolgreich. Nicht nur, weil das LTT-Ensemble so schön singen und musizieren kann, sondern auch, weil die Musik und die Tragik der Rock-Götter jedem ans Herz geht. Und tausend Erinnerungen weckt.
Aber weil nicht jeder Rock‘n’Roll Traum mit einem legendären und verfrühten (Drogen-)Tod endet, sondern auch mal an der Erfolglosigkeit scheitert, widmet sich Heiner Kondschak mit seiner neusten Produktion den zahllosen emsigen Provinzbands, die auf Dorffesten und in gruseligen Mehrzweckhallen vor drei betrunkenen Tänzern ihr Dasein fristen. Und so ?nden wir uns dieses Mal an „Leo‘s Tanke“ in Bemp?ingen wieder, wo 2004 die legendäre, aber ?ktive „Original Coverband“ gegründet wurde, die nicht nur durch die schwäbische Provinz tingelt, sondern dabei auch noch alle obligatorischen gruppendynamischen Prozesse durchspielen muss. Denn so eine Band ist ja ein fragiles Gebilde, ohne Chef, aber mit vielen unterschiedlichen Ambitionen ihrer Mitglieder. Bühnenbildnerin Sandra Fox hat der energiereichen Zweckverbindung eine einsame Zapfsäule an einer Tankstelle im amerikanischen Country-Design auf die Bühne gestellt, wo Heiner Kondschak unter einem rostigen Pickup liegt und wild mit einem Schraubenschlüssel herumklopft. Der Besitzer der Karre, Hermann (Daniel Holzberg), holt gerade seine Klampfe raus, als sich auf der Lade?äche auch schon ein Schlafsackknäuel bewegt: Rumtreiberin Waltraut (Jennifer Kornprobst) musiziert gleich mit. Und als auch noch Marie (Franziska Beyer) und Manfred (Daniel Tille) ums Eck kommen, gründet man eine Band. Da gehen die Troubles natürlich erst richtig los. Und so geben alle Liebes-Irrungen und Musik-Wirrungen, Stimmungen und Wendungen Anlass für einen passenden Song, den das Ensemble mit dem wechselnden Einsatz von Akustik-Gitarre, Keyboard, Melodica, Bass, Akkordeon, diversen Mandolinen und Saxophon zum Besten gibt: Mehrstimmiges, Gefühliges, Schmissiges, Tiefgründiges, Magisches, Lagerfeuriges. Rührende Balladen, unkitschiger Betroffenheitskitsch und Rock‘n‘Roll-Folklore kreuz und quer durch die Musikgeschichte: „Ring Of Fire“, „Time Is On Your Side“, „Paint It Black“, „Für Immer Und Dich“, „You Fill Up My Senses“, „Love The One You With“ – in allen möglichen stilistischen Variationen, extravaganten Interpretationen und Sounds. Bombastisch, voluminös, minimalistisch, a capella. Singersongwriter-Atmosphäre, Weltschmerz, 70er-Jahre-Feeling. Ein lustiges C-G-Am-F-Medley, grandiose Solo-Nummern und raumfüllende Chöre. (...)
Und wie das in der Nähe von Tübingen so ist: kaum gibt es ein neues popkulturelles Phänomen, ist auch schon der erste Forscher zur Stelle: Daniel Tille als lispelnder „Professor Häberle von der „Popakademie Mannheim“ schaltet sich wie diverse andere „Zeitzeugen“ immer wieder ins Geschehen ein, um darüber zu spekulieren, wer denn jetzt in dieser Band mit wem und wie schnell Liebe gemacht hat, oder ob das nur „von den Medien“ oder „vom Theater aufgebauscht“ wurde. Natürlich geht es zwischenmenschlich zu wie in einer Nachmittagsserie, außerdem gibt es Stress mit dem Manager, anstrengende Tourneen und Stil-Diskussionen. Und wie alle Coverbands hat die Combo damit zu kämpfen, dass die eigenen Songs kein Mensch hören will. Im LTT wiederum bekommt jeder Song extra Applaus. Die Show könnte also wieder ein Selbstläufer werden.
Reutlinger Generalanzeiger, 4. Dezember 2017
Traum vom freien Rockstarleben
(von Jürgen Spiess)
Heiner Kondschaks Musikrevue "On the road again" führt ins Innenleben einer schwäbischen Provinzband. Dafür und für die musikalischen Allrounder auf der Bühne gibt es nach zweieinhalb Stunden donnernden Applaus, zwei Zugaben und zum Teil stehende Ovationen.
»On the road again« erzählt in kurzen Spots und mit viel Livemusik die Geschichte dieser Band. Der Sprüche klopfende Leo (Heiner Kondschak), der ständig unter Liebeskummer leidende Hermann (Daniel Holzberg), die agile Waltraud (Jennifer Kornprobst) sowie das Musikerpärchen Marie (Franziska Beyer) und Manfred (Daniel Tille) singen und spielen lustvoll den Traum vom freien Rock ’n’ Roll-Leben und verbreiten damit vor allem gute Laune. So hat diese Musikrevue, deren geistiger Vater der auf musikalisch-szenische Theaterabende spezialisierte Heiner Kondschak ist, auch vor nichts Respekt. Witzig-freche Dialoge, viel Lokalkolorit und vor allem kreativ umgesetzte Song-Juwelen wie das 1972 entstandene »Papa Was a Rolling Stone« von den Temptations, Sonny and Chers »The Beat Goes On« (1967) oder Johnny Cashs »Ring of Fire« (1963) geben dem Stück Schwung und sorgen für Lacher und Déjà-vu-Erlebnisse im Publikum. (...)
Kondschak beschwört eine wilde Zeit voller Hoffnung, Sehnsucht und Träumen herauf, erzählt vom chaotischen Bandleben, von euphorischer Gruppendynamik, aber auch vom Umgang mit Niederlagen. Szenen werden nicht Schritt für Schritt, sondern anekdotisch und erheiternd beleuchtet und bald schon macht sich hemmungslose Rock ’n’ Roll-Nostalgie breit.
Schwäbisches Tagblatt, 4. Dezember 2017
Der Landmusikantenstadl von "- ingen"
(von Wilhelm Triebold)
Es ist die alte Stadtmusikanten-Geschichte. Da tun sich welche zusammen, die vorher abgehalftert und desorientiert ihren Platz in der Welt suchen. Etwas Besseres als den Tod finden sie allemal: den gemeinsamen Ton, die gleiche Wellenlänge, ein kleines Glück. Musik verbindet, schweißt zusammen, wenigstens für den Moment. Oder für einen Traum. Come together!
An einer abgeschiedenen Bempflinger Tanke treffen sich fünf Leute. Leo, der gleichmütige Autoschrauber, horcht auf, als jemand (ziemlich mies) Gitarre spielt. Nachdem eine quirlige Tramperin und ein stressiges Ossi-Pärchen dazustoßen, wird klar: Gegensätze, die sich anziehen, reichen allemal aus, eine Band zu gründen.
"On the road again", Heiner Kondschaks neuester Streich am LTT, ist vielleicht kein Geniestreich. Vor allem kein richtiges Theaterstück. Sondern, wie der Untertitel auch richtigstellt, ein "Inszeniertes Konzert".
Was das ist? Der Multi-Instrumentalist und Erfinder bühnenreif zurechtgebogener Musiker-Biopics von Guthrie bis Dylan klampft halt gern mit Freunden, vor allem mit begabten LTT-Kräften. Inzwischen haben viele junge Schauspieler(innen) gelernt, nicht nur intonationssicher zu singen, sondern auch den Bass zu zupfen oder die Gitarre zu schlagen. Und den lieben alten Rock zu ehren.
Ein Abend also auch für nostalgische Gefühle. Im Publikum ist man mit den bewährten Liedern, pardon: Songs, herangewachsen und fühlt sich pudelwohl damit. Das LTT versucht, die Lust am gemeinsamen Musizieren und Wiederhören in eine entsprechende dramaturgische Form zu gießen.
Das haut allerdings nicht so richtig hin. So wie sich die Stadt- oder besser Landmusikanten (sie tingeln dann durch die schwäbische Provinz entlang der B27) erst einmal finden müssen, wird man als Zuschauer auch nicht gleich so richtig warm mit der etwas zählebigen Erzählweise. (...)
Ein paar Songs später zündet das Ganze dann aber doch. Ausgerechnet mit dem Stones-Klassiker "Paint it black", ins Deutsche übersetzt von (man glaubt es kaum) Karel Gott. Im LTT eine fette, fetzige Version, die zeigt, dass diese sogenannte Original Coverband (eigentlich ein Widerspruch in sich) einiges loshat. Und so geht es weiter: Starke Musiknummern. Franziska Beyers noch stärkere Gesangsstimme. Grundsolide Begleitung an diversen Instrumenten - wobei die solistischen Einlagen meistens der Meister persönlich übernimmt: Kondschak als gefühliger Tin-Whistleblower, als letzter Mundharmonikaner auf den Spuren des Vorbilds Neil Young, als wuseliger Saxofonist, als Ukulelist, E-Pianist...keine Frage, wie der Heiner kann's kaum einer. Er hält den Laden zusammen, ohne sich allzu sehr in den Vordergrund zu spielen.
Ansonsten enthält dieses Road Movical alles, was das Herz begehrt: Beziehungsblues und Paargekrisel, die Tücken und Macken der Routine auf den Tour-Routen, ungeahnte familiäre Verquickungen, den Streit ums liebe Geld, um das beschissen wird, kurz: Was alle Bands halt irgendwann sprengt und scheitern lässt.
Und doch: Die Musiknummern reißen's letztlich raus. Kondschak hat einige Cover-Perlen aufgestöbert, etwa Stefan Gwildis' wunderbare Version des Temptation-Hits "Papa was a rolling stone". Hier heißt es: "Papa will da nicht mehr wohn" und ist ein Nachwende-Abgesang auf einen Stasi-Spitzel. Was im LTT ein bisschen untergeht.
Die beste Nummer ist aber nicht undercover, sondern original Kondschak und Konsorten: Da jagen sie durch die vergangenen Rock- und Pop-Gefilde, um zu zeigen, was sich mit der schlichten Akkord-Formel G, D, Em und C alles bewerkstelligen lässt. Unglaublich, fast jeder Hit kam mit diesen vier Griffen aus! Dann biegen die Fünf ins "-ingen"-Lied ein, das so schön ist, dass man es Lesern (wie Hörern) nicht vorenthalten darf:
„Fast ein halbes Jahr warn wir dann unterwegs
Und am Ende ging das allen ganz schön auf den Keks
Denn, und das vor allen Dingen
Warn wir in allen Orten mit '- ingen'
Wir warn in Groß-Engst und in Klein-Engst
Und in Dett und in Wurml und in Betz
Wir warn in Dussl und in Essl und in Eisl
Und in Upf und in Schwetz und n Metz (...)
Und jetzt spieln wir noch zwei Mal, in Tüb und in Bal
Das werdn wir auch noch auf die Bühne br
Und dann fahren wir zum Glück nach Bempfl zurück
Und dann hörn wir erst mal auf zu s.“
Das ist jener höhere Blödsinn, den Kondschak am besten drauf hat. (…)
Covern klingt ein wenig wie kapern. Wie eine lustige Freibeuter-Mannschaft erobern sich diese Fünf die - teils ja längst totgecoverten - Songs. Und das macht die eigentliche Qualität des Abend aus. The beat goes on.