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Entdeckungsreise von Ingeborg von Zadow
3+
Schwäbisches Tagblatt, 12. Oktober 2015
(von Fred Keicher)
Das Abenteuer des Alltags: "Raus aus dem Haus" im Jungen LTT
"Raus aus dem Haus" und rein ins Theater. Dort beginnt das Stück, bevor die Zuschauer überhaupt erst Platz genommen haben. Zwei Typen machen etwas, was man am familiären Frühstückstisch wohl oft erlebt hat, aber nie in dieser Ausführlichkeit: Sie quälen ihre Erdnussflips. Die Beschäftigung ist die perfekte Zeitzerdehnung. Man kann die trockenen Flocken kauen, sich auf die Nase binden, auf dem Boden zerstreuen oder dem anderen in die Tasse oder Schuhe schütten. Denn draußen wartet die Welt. Wie eine Drohung hängt über der Szene das Kommando "Raus aus dem Haus!"
Da hocken also diese beiden Typen auf der Bühne und machen Faxen. Für die Kinder ist das eine Rieseüberraschung. Sie sitzen erst ganz ruhig auf ihren Stühlen, ganz langsam beginnt ein Glucksen, das in ungestümes Gelächter mündet. Sie sind für das Stück, geeignet ab drei Jahren, gewonnen. Immerhin sind bei der samstägigen Premiere am Samstag etwa ein Drittel der Zuschauer Kinder, kaum älter als vier.
Das Duo auf der Bühne ist nicht näher beschrieben. Der eine ist eher ernst und kariert (Rupert Hausner). Der andere, ein Wuschelkopf im Ringellook, strahlt heiter übers ganze apfelbäckige Gesicht (Andreas Laufer). Nach ihrem Auftaktakt müssen die Zwei erstmal das Aufstehen nachholen. Das Haus im Puppenstubenformat überlebt das nicht:. Es wird in zwei Hälften gerissen, das Innere liegt frei, und zwei Playmobilfiguren müssen das Bett verlassen und Dehnungsübungen machen. Die Großen stellen die nach.
Das geht ganz gut, wenn man ein Bein ausstrecken soll. Aber zwei? Gar der Spagat? Auch dafür gibt's eine Lösung.
Sind diese Herausforderungen geschafft, stünde die Welt offen - wenn man denn wöllte. Der Apfelbäckige will nicht zuerst, der andere soll vor. Erstmal herrscht fröhlich Anarchie und Reimzwang. Endlich stehen die beiden vor der Tür. Angesichts des Bergs sagt der eine: "Steil", reimt der andere "Seil".
Natürlich macht das Seil ihr Leben nicht einfacher. Ihr Umgang damit ist völlig sinnfrei, aber voller Komik. Weiterhin treten in dem Stück von Ingeborg von Zadow auf: die Kuh und die Maus. Aber nur symbolisch. Ebenso symbolisch angedeutet werden in Grete Pagans Inszenierung die Angst, die Faulheit und die Schadenfreude. An Requisiten braucht's einen Stuhl, ein Seil, ein Megaphon in Kuhfelloptik. Und dicke Tigerpantoffeln.
Lena Hinz hat die Bühne und die Kostüme gestaltet. Gottseidank hat sie die Schauspieler nicht als Clowns kostümiert.
Unterm Strich
Nach dem zerdehnten Anfang gewinnt die Inszenierung am LTT-Kindertheater unglaubliches komödiantisches Tempo. Ein Riesenvergnügen. Auch für die Erwachsenen.
Schwäbisches Tagblatt, 9. Oktober 2015
(von Susanne Schmitt (LTT-Vorbericht))
Theater für die Jüngsten: "Raus aus dem Haus" hat morgen Premiere
Am morgigen Samstag feiert das Junge LTT seine erste Premiere der neuen Spielzeit: "Raus aus dem Haus", ein Stück für die Jüngsten ab 3 Jahren. Ingeborg von Zadow hat das Stück geschrieben, inszeniert wird es von Grete Pagan. Die Stuttgarter Regisseurin arbeitet zum ersten Mal am Jungen LTT. Im Vorfeld der Premiere sprach sie mit Dramaturgin Susanne Schmitt über Tagesabläufe und über Theaterarbeit im Kindergarten.
Susanne Schmitt: "Raus aus dem Haus" ist ein Stück für zwei Personen, nämlich "A" und "B". Was sind das für zwei Wesen?
Grete Pagan: Es sind zwei Menschen, ganz klar. Eben einer und ein anderer. Aber wie könnte man sie beschreiben? Nun, sie sind neugierig und gerissen, sie sind sich sehr ähnlich und gleichzeitig vollkommen verschieden, sie sind abgebrüht und unberechenbar, äußerst liebenswert - und nie müde.
Das Stück handelt vom Verlauf eines einzigen Tages, vom Rausgehen, vom Abenteuer-Erleben und vom Heimkehren. Was macht es so spannend, einen ganz normalen Tag auf die Theaterbühne zu bringen?
Ein Tag ist nie normal! Für Kinder nicht - und für mich im Theater zum Glück auch nicht. Wenn ich morgens zur Probe gehe, dann weiß ich genauso wenig, was auf mich zukommt, wie meine Tochter, wenn sie in den Kindergarten geht. Wir gehen gemeinsam aus dem Haus, und ab da muss jede gucken, wie sie ihre jeweiligen Abenteuer besteht.
Ein Tag besteht aus hundert und tausend spannenden Ereignissen, man muss nur den Mut aufbringen, sie zu sehen und auf sie ein zu gehen. A und B tun das. Kinder kennen dieses Gefühl - und Erwachsene könnten vielleicht Lust darauf bekommen.
Ingeborg von Zadows Theaterstücke werden gerne als "Beckett für Kinder" bezeichnet. Sehen Sie das auch so?
Ja, insofern als dass man ein ähnliches Leseerlebnis hat. Ich haben noch keinen Beckett-Text inszeniert, könnte mir aber vorstellen, dass man in ähnlicher Weise zusammen mit den Schauspielern auf der Suche ist, wie man einen so eigenständigen Text mit der Handlung im Raum verknüpft.
Für unsere zwei Schauspieler, Rupert Hausner und Andreas Laufer, ist das manchmal echt hart bei den Proben, weil der Text extreme Zurückhaltung erfordert. Zu viel "Theater", und er fliegt uns voll um die Ohren. Dieser Seiltanz macht große Freude. Und wenn es funktioniert, wenn wir es schaffen, die Musikalität und die genaue Verknappung von Ingeborg von Zadows Text mit der konkreten Situation auf der Bühne zu verbinden, dann scheint plötzlich alles total selbstverständlich. Und die Figuren bekommen eine große, urkomische Ernsthaftigkeit.
"Raus aus dem Haus" ist ein Stück für Kinder ab 3 Jahren. Was ist das Besondere, wenn man für so junge Zuschauer Theater macht?
Kinder in diesem Alter haben noch keine Ahnung, was Theater überhaupt ist. Wie man sich da verhält, was man tut und was nicht. Das ist herrlich! Man kann seine eigenen Regeln schaffen.
Ihre Inszenierung wird sowohl im Kindergarten als auch im Theater gespielt werden - welchen Einfluss hat das auf Ihre Arbeit?
Wir haben anfangs viel im Theatersaal geprobt. Ein schwarzer Raum, volle Konzentration, die Bühnenbildteile stehen sehr klar definiert da und alles, was man tut, wird enorm bedeutsam. Dann sind wir zur Probe mal abends in einen leeren Kindergarten gegangen und haben da zwischen Puppenküche, Gummistiefel und Kinderkunst gespielt. Das war ein echter Kulturschock. Und gleichzeitig passiert etwas wunderbar Seltsames und Einzigartiges, wenn diese zwei Theaterfiguren - und die beiden sind schon ganz schön schräge Typen - in der realen Welt agieren.
Das macht großen Spaß! Die Kindergartenräume sind für die Schauspieler erstaunlich gut geeignet, weil sie viel Inspiration bieten. Dafür haben wir im Theater dann die optische und atmosphärische Unterstützung von Licht und Bühnenraum, das ist auch nicht schlecht.