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Schauspiel nach Johann Wolfgang von Goethe
Reutlinger Nachrichten / Südwest Presse, 7. April 2015
(von Jürgen Spiess)
Einer, der stets seinen Kopf aus der Schlinge zieht: Goethes "Reineke Fuchs" in Florian Hertwecks Regie feierte LTT-Premiere. Eine bitterböse Tierfabel, fulminant und blutrünstig ins Hier und Heute übersetzt.
Irgendwie strahlen sie gleichzeitig eine undefinierbare Faszination und Abscheu aus, diese listigen Schlawiner, Überlebenskünstler, Ganoven, die es immer wieder schaffen, sich mit Lug und Trug durchs Leben zu schlagen, stets auf den eigenen Vorteil bedacht und immer einen Schritt schneller als die Konkurrenz.
Das ist heute und war während der Französischen Revolution nicht anders, als Goethe nach einer Reise durch Frankreich das 1794 in Hexametern verfasste Versepos "Reineke Fuchs" schrieb. In Florian Hertwecks Regie spielt Thomas Zerck den Rotpelz - hervorragend als Underdog, wie er stiehlt, lügt, mordet und betrügt.
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In erster Linie lebt die Inszenierung Florian Hertwecks von den fabelhaften Schauspielern, den originellen Masken und Kostümen (Dirk Thiele) und den zum Teil aberwitzigen Action-Szenen: Etwa, wenn der Kater in Mission-Impossible-Manier durch Laserstrahlschnüre turnt, während die anderen Tiere die Filmmelodie trällern. Oder wenn die Hühner halsbrecherisch Breakdance tanzen, die Königin zepterschwingend Lou Reeds "What a perfect day" in die Runde schmachtet und der Bär sich dazu drogengeschwängert im Kreise dreht.
Immer wieder versteckt Regisseur Florian Hertweck, der eigentlich zunächst als Schauspieler in Heidelberg und Hannover Karriere gemacht hat, kleine Anspielungen in den Szenen und Figuren, die sich auf bekannte Filmszenen, Opern oder Popsongs beziehen, etwa auf "The Fox (What Does The Fox Say".
Gleichwohl trifft die hohe Sprache des Geheimrats Goethe ungebremst auf das respektlose Treiben der animalischen Truppe, die unter der Maskerade der Tierwelt brutal-ehrliche Kritik an der herrschenden Klasse übt.
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"Reinecke Fuchs" ist in der Regie Florian Hertwecks ein Märchen für Erwachsene - über Macht, Intrigen, Hinterlist, Abhängigkeiten und Unterwerfung. Ein Märchen, das gerade durch seine schonungslose Ehrlichkeit funktioniert. Trotz aller - zum Teil sehr handfesten - Blutrünstigkeit kommt der Humor und das Augenzwinkern nie zu kurz. Und den Schauspielern gelingt es wunderbar, das Tierisch-Allzumenschliche in Gestik und Mimik zu deuten.
Schwäbisches Tagblatt, 4. April 2015
Ausgefuchster Meister der Manipulation
(von Madeleine Wegner)
Bitterböse, brutal, witzig und schlau: Die fabelhafte Inszenierung von Goethes "Reineke Fuchs" feierte Donnerstagabend im Tübinger Landestheater Premiere - und begeisterte gewaltig.
Sind wir nicht alle ein bisschen Fuchs? Der Rotpelz nutzt die Regeln des Spiels zu seinen Gunsten, verdreht sie, und geht auch das nicht mehr, erfindet er neue. Er ist Raubtier, listiger Schelm und Überzeugungstäter. Johann Wolfgang Goethe benutzte die alte Figur des schlauen und hinterlistigen "Reineke Fuchs", um hinter die Kulissen blicken zu lassen, die Kulissen eines oft unmoralischen Spiels aus Ordnung, Unterwerfung, Abhängigkeiten und Intrigen. Das galt zu Zeiten der Französischen Revolution, und das gilt heute. ...
Ein bunter, prachtvoller, animalischer Haufen, der sich da am Donnerstagabend auf der Werkstattbühne des LTT tummelte - scheinbar wie zwischen den Buchseiten von Goethes Versepos: Als Kulissen waren auf hohen Stellwänden Stiche Wilhelm von Kaulbachs abgebildet. Die frühen Schwarz-Weiß-Illustrationen zum Werk vergrößerten die Schar der Tiere und lieferten gleichzeitig einen starren und scheinbar angestaubten Kontrast zu dem, was sich auf der Bühne abspielte. Die Inszenierung von Florian Hertweck liest jedoch auch zwischen den Zeilen, übersetzt sie ins Heute.
Seit jeher dienten Fabeln dazu, Kritik an der herrschenden Ordnung, an den Machthabern zu üben - eine Kritik, die ungestraft nur unter der Maskerade der Tierwelt möglich war. In der LTT-Inszenierung trugen die Tiere mit ihren Kostümen sowohl menschliche als auch animalische Züge: Der Dachs eine Gummi-Schnauze über der Nase, seine Ohren hingegen am Hut, die Katze eine Maske wie Batman, beim Bär sorgten fellbesetzte Handschuhe mit langen Krallen für kräftige Tatzen (Bühne und Kostüme: Dirk Thiele).
Aus der Not machten sie eine Tugend. Dank der fabelhaften Leistungen von Heiner Kock, Rolf Kindermann und Michael Ruchter reichten drei Schauspieler, um fast ein Dutzend Tiere auf die Bühne zu bringen. Der König wird mit Sabine Weithöner zur Königin, sie verkörpert eine Kopplung aus Geliebter, Herrscherin, Mutter. Besonders eindrücklich, wenn sie ihre Trieb gesteuerte Tier-Schar in einer Art Loveparade zu Rave und Techno-Gewummer aus ihren Zitzen bespritzt. Wie die Königin des Pop lässt sie sich auf Händen tragen.
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Der größte Witz liegt oft im Detail: Wenn die Ohren von Lampe, dem Hasen auf dem Kopf tatsächlich an einem Lampenschirm sitzen. Oder Reineke es sich zu Hause gemütlich macht, den Anzug gegen einen Trainingsanzug tauscht, den ein Mannschafts-Emblem der "Füchse" schmückt. Oder auch, wenn der gehörnte Bellyn kurz vor seiner Hinrichtung resigniert fragt: "Widderstand zwecklos?"
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Reutlinger Generalanzeiger, 4. April 2015
(von Christoph B. Ströhle)
Florian Hertweck inszeniert am LTT Goethes Versepos „Reineke Fuchs“ als schrill-schrägen Bilderreigen mit Hühnerballett und „Mission: Impossible“-Touch
Man merkt, dass Regisseur Florian Hertweck Erfahrung als Schauspieler hat. Seine »Reineke Fuchs«-Inszenierung am LTT meidet alles Papierne und ist ein Fest für die Darsteller. Die nutzen Johann Wolfgang von Goethes 1794 entstandenes Versepos, um erst einen auf »Guck mal, süß, die Tiere« zu machen. Die menschlichen Schwächen und Abgründe, um die es Goethe und seinen Vordichtern (wie Johann Christoph Gottsched) wesentlich geht, kommen dann umso kraftvoller in witzigen und blutrünstig-drastischen Szenen zum Tragen. Reineke Fuchs, gegen den die Tiere am Hof von Königin Nobel Klage führen, setzt sich über jedwedes Recht und alle Regeln des Anstands hinweg.
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Fünf Schauspieler tummeln sich auf der Bühne. Thomas Zerck ist ein durchtriebener Fuchs, der sich als Underdog geriert, der sich gegen Fremdbestimmung und Willkür wehren muss. Heiner Kock hat als Wolf, Hahn und Hase tödlichen Schmerz und Demütigung zu erleiden. Als Dachs, Hündchen und Krähe kommt Rolf Kindermann noch vergleichsweise glimpflich davon, während Michael Ruchter als Bär und Kater Martern ertragen muss und als vom Fuchs ausgetrickster Widder den Kopf einbüßt. »Widderstand zwecklos«, konstatiert er zuvor noch trocken. Als Löwin und Füchsin kehrt Sabine Weithöner mal die noble, mal die blutrünstige Seite heraus.
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Originell und gewitzt sind die Action-Einlagen. Etwa, wenn Hinze der Kater in Ethan-Hunt-Manier durch die Laserstrahl-Schnüre turnt und die anderen Tiere dazu die »Mission: Impossible«-Erkennungsmelodie singen. Ein schräger Höhepunkt ist außerdem das gackernde Hühner-Ballett, bei dem am Ende die Federn stieben. Vom Premierenpublikum gab’s satten Applaus.
Stuttgarter Nachrichten, 4. April 2015
Maß, weiß Goethe, ist überall gut
(von Nadine Funck)
"Reineke Fuchs" treibt ein fast zu aktuelles Unwesen am Landestheater Tübingen
Bei der Premiere von "Reineke Fuchs" am Gründonnerstag im Landestheater Tübingen präsentierte Regisseur Florian Hertweck eine moderne Interpretation des Versepos von Goethe. Inmitten eines Dschungels aus Pappwänden, die als bewegliche Kulisse dienen, erlebten die Zuschauer an diesem Abend eine herausragende schauspielerische Leistung.
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Das ist zum Teil lustig gedacht, ironisch interpretiert und gewinnt auch durch die unvergleichliche Sprache Goethes. doch was als komödiantisches Spiel beginnt, ufert aus in eine Parodie des Epos und der heutigen Gesellschaft.
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Am Ende findet dieser "Reineke Fuchs" wieder zurück zu den sprachgewaltigen Dialogen des Originals ... Der tosende Applaus des Publikums scheint der modernen Interpretation recht zu geben, auch wenn die zu erwartende Lehre aus einer Fabel ausbleibt.