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Eine übertrieben wahre Münchhausengeschichte von Thilo Reffert
Uraufführung
10+
Reutlinger Nachrichten, 4. Mai 2015
(von Kathrin Kipp)
Wahrheit und Lüge, Logik und Freundschaft: Darum geht's in Thilo Refferts "Ronny von Welt". Das Junge LTT zeigt die Uraufführung als Solo-Erzähltheater. Demnächst auch in Metzingen. Für Leute ab zehn.
Schauspieler Dimetrio-Giovanni Rupp steht auf der Bühne und behauptet, Giovanni sei sein Künstlername, sein richtiger Name sei eigentlich Ronny. Aber Ronny heißen eben keine Schauspieler, sondern eher LKW-Fahrer.
Die Geschichte, die er erzähle, habe er selbst erlebt. Ganz in echt jetzt. Und er spiele auch alle Rollen. In Ronnys Geschichte werden außerdem ziemlich viele Münchhausen-Geschichten erzählt.
Und damit sind wir schon mitten drin in den verschiedenen Spiel- und Wirklichkeits-Ebenen. Bald weiß man nicht mehr, wo die Realität aufhört und die Geschichte anfängt und wo sie sich jetzt mal wieder selbst erklärt. Was ist der Unterschied zwischen Lügen und Erfinden? Und ist die Wahrheit nicht immer auch ein bisschen langweilig? Darf man sie nicht wenigstens ein bisschen blumig ausschmücken? Aber was mach' ich, wenn mich alle für einen Lügner halten?
Ronny jedenfalls ist nach Tübingen umgezogen, jetzt gilt es, neue Freunde zu finden. Weil er nicht so recht weiß, was er mit seinen Mitschülern reden soll, verstrickt er sich erst einmal in die abenteuerlichsten Geschichten: Mit seinem Antennen-Navi könne er Signale aus dem Weltall empfangen.
Seine Stories kommen mal mehr, mal weniger gut an. Also wird er professioneller. Inspiriert von einem alten Münchhausen-Buch dichtet er seinem eigenen Opa sämtliche Abenteuer des Lügenbarons an. Wie der sein Pferd an einen Kirchturm gebunden habe oder wie sie mit Kirschkernen Jagd auf einen Hirschen gemacht hätten.
Dabei rennt Dimetrio-Giovanni Rupp als Ronny engagiert und aufgekratzt durch die Zuschauerreihen, erzählt und erzählt, steigert sich in seine Geschichten hinein, läuft in seinem Zimmer die schiefe Wand hoch (Ausstattung: Vesna Hiltmann), hantiert mit Rucksack, Kapuzenjacke und einem halben Mantel, schlüpft in alle Rollen, hält dabei die Spannung und bringt vor allem auch die kleinen Zuschauer zum Lachen.
Er demonstriert, wie man sich am eigenen Schopf aus dem Schlamassel ziehen kann und ist ständig in Bewegung. Auch geistig, denn bei den berechtigten Zweifeln seiner Mitschüler muss Ronny immer wieder die ein oder andere logische Lücke schließen. Dabei haut Rupp einen neckischen Spruch nach dem andern raus und integriert die Zuschauer, während sich sein Ronny immer wieder zwischen Unmöglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten verhaspelt.
Seine Mitschüler Marek und Vadet (ein bisschen wie Erkan und Stefan) finden Ronny mal ganz unterhaltsam, mal ganz cool und dann dann wieder total kirre. Die nette Calida wiederum hat selbst einen Opa, der im Krieg war, nur die zickige und besserwisserische Tessa lässt sich als steife Realistin nicht ganz von den wilden Storys überzeugen.
Ronny wiederum bekommt mehr und mehr ein schlechtes Gewissen, weil er sich seine Freundschaften mit Lügengeschichten erkauft. Dabei haben ihn seine Mitschüler längst durchschaut, finden seine Stories aber trotzdem ganz spannend. Aber wird man einem Lügner jemals wieder etwas glauben? Oder bleibt man als Geschichtenerzähler immer der lustige Spinner?
Und so schlägt Thilo Refferts "Ronny von Welt" zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen wird eine ganz lebensnahe und alltagspraktische Geschichte rund ums Lügen erzählt, zum andern werden bildungsbeflissen die Münchhausen-Stories neu aufbereitet. Auch Münchhausens Ritt auf der Kanonenkugel, um die Gegner auszuspionieren.
Der unerschrockene Baron lässt sich bekanntlich von der Gegenkugel wieder zurückkatapultieren: Cool! "Und so was steht in Büchern? Ich will auch eins", sagt Vadet, während Ronny die Aktion mit seinem Münchhausen-Hüpfball demonstriert. Am Ende findet sogar Tessa: "Wahr oder nicht wahr - Hauptsache: gut erzählt."
Schwäbisches Tagblatt, 20. April 2015
Rasanter Ronny reitet auf Kanonenkugel
(von Matthias Reichert)
Die Münchhausengeschichte von Thilo Reffert hatte am Jungen LTT langbeklatschte Premiere
Bücher, erfährt Protagonist Ronny alias Hieronymus Müller, sind erfundene Geschichten, die sich Schriftsteller ausgedacht haben. In Thilo Refferts Stück "Ronny von Welt", das am Samstag im LTT-oben Premiere hatte, klaut der Junge beim Antiquar das alte Münchhausen-Buch von Bürger. Er ist neu in der Stadt und findet mit den Lügengeschichten in Frakturschrift aus dem 18. Jahrhundert neue Freunde an der Schule. Denn er tut so, als ob die Geschichten der eigene Opa erlebt habe.
Eine schöne Geschichte über Lüge und Ehrlichkeit. Solo-Schauspieler Dimetrio-Giovanni Rupp steht am Anfang des Stücks vor der Tür des Direktorenzimmers, in dem sich gerade entscheidet, ob er an der Schule bleiben darf. In einer Rückblende erzählt er, wie er in Tübingen ankam und sich zunächst schwertat, neue Freunde zu erzählen. Das Stück wird sehr real - angeblich erzählt Rupp die eigene Geschichte.
Die spielt in Tübingen. Die Stiftskirche, der Antiquar am Holzmarkt, der Berliner Ring kommen darin vor - die Kulisse ist vertraut. Die Inszenierung von Michael Miensopust nimmt die Zuschauer förmlich ins Geschehen mit hinein. Rupp rennt ins Publikum, wälzt sich die Treppe herunter, treibt seinen Schabernack mit den ringsum sitzenden Zuschauern.
Das Bühnenbild von Vesna Hiltmann zeigt ein Bett, das eigentlich eine Skater-Anlage ist, und einen Ball, auf dem Ronny wie weiland Münchhausen auf der Kanonenkugel reiten wird.
Der junge Schauspieler zieht alle Register. Er kichert und ächzt, dreht auf und dreht ab, spielt den irrwitzig-fantasiebegabten Ronny, die Klassenkameraden, die Mutter den Antiquar und den Direktor alle zugleich. Und es gelingt ihm.
Die pfiffige Reflexion über die Kraft der Fantasie nimmt die Zuschauer gefangen. Die neunmalkluge Streberin Tessa glaubt zwar nicht, dass Ronnys Opa tatsächlich sein Pferd an der Kirchturmspitze angebunden hat. Aber der elitäre Marek und der tumbe Vedat sind fasziniert von den Lügenmärchen. Und die schöne Kalinda ist hin und weg; ihr erzählt Ronny in einer anrührenden Szene als erstes wirklich etwas von sich selbst.
Mit Google wird der Münchhausen-Schwindel schnell aufgeklärt. Aber auch die Aufklärerin Tessa erkennt: "Wahr oder nicht - Hauptsache gut erzählt." Das gilt auch für das Stück des preisgekrönten Theater- und Hörspielautors Reffert. Nach dem Ende gibt Schauspieler Rupp in einem Epilog zu, dass er das Erzählte natürlich nicht selbst erlebt hat. Aber der Autor, der habe ihm versichert, dass es tatsächlich die eigene Geschichte gewesen sei. Und das glauben natürlich alle.
Unterm Strich
"Wahr oder nicht - Hauptsache gut erzählt." Dieser Satz einer Figur gilt auch für Thilo Refferts neues Stück "Ronny von Welt". Dimetrio-Giovanni Rupp zieht alle Register - auch wenn er das Publikum vielleicht ein bisschen angestrengt ins schulische Schaulaufen des Helden einbezieht.
Reutlinger General-Anzeiger, 20. April 2015
(von Nadine Nowara)
Das Junge LTT zeigt eine originelle und charmante Münchhausengeschichte mit Dimetrio-Giovanni Rupp
Wer sagt schon immer zu hundert Prozent die Wahrheit? Ist es okay, ein wenig zu übertreiben, um besser vor anderen dazustehen? Wann wird eine Flunkerei zur Lüge? Ist das Geschichtenerzählen nicht auch Lügen? Mit diesen und weiteren Fragen setzt sich das Junge LTT mit der Uraufführung von »Ronny von Welt«, einer Geschichte von Thilo Reffert, auseinander (Regie: Michael Miensopust).
Der zwölfjährige Ronny (Dimetrio-Giovanni Rupp) hat es nicht leicht. Gerade ist er mit seiner Familie nach Tübingen gezogen. Es fällt ihm schwer bei seinen Mitschülern Anschluss zu finden. Seine Mutter ist meistens mit seiner noch sehr kleinen Schwester beschäftigt und betrachtet ihn als ihr Sorgenkind. Eines Tages findet er vor einem Antiquariat ein zerfleddertes, vergilbtes Buch mit dem Titel »Die wundersamen Fahrten und Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen auf und zu Bodenwerder«. Als es ihm gelingt, die altdeutsche Schrift zu entziffern, findet er immer mehr Gefallen an den schier unglaublichen Abenteuern. Da liest er von einem Pferd, das an der Kirchturmspitze angebunden wird, und einem Hirsch, dem Kirschblüten aus dem Geweih wachsen.
Um Kontakt zu seinen Klassenkameraden zu finden, beginnt er, die Lebensgeschichte seines Großvaters um diese unglaublichen Anekdoten zu erweitern und sie seinen Mitschülern zu erzählen. Natürlich darf auch der berühmte Ritt auf der Kanonenkugel in einer Münchhausengeschichte nicht fehlen. Rupp stellt diesen auf einem mit Papier beklebten, an eine Weltkugel erinnernden Gymnastikball (Ausstattung: Vesna Hiltmann) nach.
Die nervtötende Stimme der Vernunft – im Stück verkörpert durch die neunmalkluge Klassensprecherin Tessa (auch Rupp) – verdirbt Ronny durch ihre rationale Weltsicht ein wenig den Spaß, aber viele andere zieht er mit seinen Erzählungen in den Bann. Er entdeckt den Geschichtenerzähler in sich und bemerkt, wie schön es doch ist, die eigene Vorstellungskraft zu ergründen. Doch schon bald verkompliziert sich seine Lage.
Rupp spielt und erzählt diese humorvolle und zuweilen auch nachdenkliche Geschichte inmitten des Publikums, welches ihn im Kreis ringsum von allen Seiten betrachten kann. Wahnwitzig energetisch rennt er quer über die Bühne und nutzt den gesamten Raum samt Treppe. Er verfügt über eine ausgezeichnete Körperbeherrschung und geht auch mal in die Zeitlupe, um den dramatischen Effekt zu verstärken. Zuweilen ist das richtiggehend tänzerisch.
Zur sportlichen Leistung kommt noch hinzu, dass er in die unterschiedlichsten Rollen schlüpft und weiß, sowohl als Mutter wie als Gettoslang sprechender Mitschüler zu überzeugen. Die Situationen werden bildhaft und ausdrucksstark beschrieben, sodass man sich die Abenteuer gut vorstellen kann.
Nach etwas über einer Stunde verlässt das Publikum mit einem Lächeln im Gesicht und dem Gedanken den Saal, wie schön Geschichten das Leben machen und wie trostlos alles ohne sie wäre. Dieses fantastische Erzähltheaterstück macht jungen und älteren Kindern einfach Spaß.
Schwäbisches Tagblatt, 17. April 2015
(von Susanne Schmitt (LTT-Vorbericht))
Morgen Uraufführung am LTT: "Ronny von Welt" von Thilo Reffert
Thilo Refferts Stück "Ronny von Welt" ist eine übertrieben wahre Münchhausengeschichte. LTT-Dramaturgin Susanne Schmitt sprach mit Regisseur Michael Miensopust und Schauspieler Dimetrio-Giovanni Rupp über Lügen, Herausforderungen und die Kunst der Phantasie.
Susanne Schmitt: Herr Miensopust, dieser "Ronny von Welt" erzählt Geschichten, die sein Opa angeblich erlebt hat. Er steigert sich so rein, dass er schließlich, wie Münchhausen, selbst Teil dieser Abenteuer wird. Ist Ronny also ein notorischer Lügner oder ein talentierter Erzähler?
Michael Miensopust: Wahrscheinlich ist er ebenso ein Lügner wie ein guter Erzähler. Ich würde eher sagen, er ist ein Erfinder aus der Not heraus. Er muss eine gute Geschichte präsentieren, sonst lassen ihn seine neuen Freunde stehen und gehen weg.
Herr Rupp, wie halten Sie es mit dem Lügen? Ist Schauspielerei nicht ohnehin permanentes Lügen? Sie behaupten doch ständig, Sie seien jemand anderes, oder?
Dimetrio-Giovanni Rupp: Also grundsätzlich mag ich keine Lügen. Aber wir Menschen können leider nicht ohne Lügen. Wir lügen ständig im Alltag, ohne dass wir es wollen. Das passiert unbewusst, aber auch manchmal sehr bewusst. In der Schauspielerei hat das Lügen für mich irgendwie keinen Platz. Auf der Bühne geht es nicht um Lügen, es geht um Phantasie. Und jeder weiß, dass ich, wenn ich als Schauspieler auf der Bühne stehe, nicht lüge. Ronny von Welt, das bin ich einfach in diesem Moment.
Sie spielen ja nicht nur sämtliche Figuren, die im Stück vorkommen, sondern Sie bespielen außerdem den ganzen Raum in alle Richtungen, denn die Zuschauer werden ringsherum verteilt sitzen. Was ist die größere Herausforderung, die vielen Rollenwechsel oder die ungewohnte Bühnensituation?
Rupp: Am Anfang war alles für mich eine Herausforderung: mehrere Rollen spielen, über 27 Seiten Text lernen - und dann sitzt das Publikum auch noch rings um mich herum. Ich dachte nur, das packe ich nie! Aber mittlerweile funktioniert es ganz gut. Ich finde es sogar ziemlich großartig, dass die Zuschauer ringsherum sitzen. Das ist mal etwas anderes, als "nur" von einer Richtung zuschauen.
Herr Miensopust, Sie haben sich schon häufig mit Erzähltheater beschäftigt. Was reizt Sie daran, eine Geschichte mit wenig Mitteln auf die Bühne zu bringen? Was kann das Erzähltheater, was andere Theaterformen nicht können?
Miensopust: Die Sprache und die Aktion auf der Bühne machen Räume offen und schaffen durch die Kraft der Phantasie Welten, die man so in üppig ausgestatteten Bühnenstücken kaum zeigen kann. Oder hat jemand schon mal gesehen, wie einer auf einer Kanonenkugel über die Stiftskirche fliegt?
"Ronny von Welt" ist bereits das dritte Stück von Thilo Reffert, das das Junge LTT zur Uraufführung bringt. Man könnte ihn fast schon als "Hausautor" bezeichnen. Was schätzen Sie besonders an dieser kontinuierlichen Arbeitsbeziehung?
Miensopust: Neben dem, dass Reffert ein wundervoller Mensch ist, mit dem man bei guten Bieren an abenteuerlichen Plätzen großartige Ideen aushecken kann, schätze ich sehr sein sensibles Gespür für die Nöte von Kindern und Jugendlichen. Daher ist es ein großes Geschenk fürs Junge LTT, die Möglichkeit zu haben, so intensiv mit diesem Autor zusammen zu arbeiten.