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Liederabend von und mit Stephan Weber · 15+
Reutlinger General-Anzeiger, 20. Januar 2024
Liebe als wilder Ritt mit Musik
(von Paul Runge)
Im wahrsten Sinne des Wortes eine One-Man-Show
Es ist ein bisschen so, als würde man mit unbändig liebendem Herzen im Zimmer seiner Jugend hocken und die Boxen volle Pulle aufdrehen. Das Dopamin sprudelt, der Song passt perfekt und die Gedanken kreisen nur um die Eine – eine Gefühlslage, die Stephan Weber nur zu gut kennt. Oder zumindest sein Alter Ego, der »Rebell«, der die Besucher des Landestheaters Tübingen (LTT) bei seinem Soloabend »Sehnsucht – so’n Liebesdings« mit auf eine musikalische Reise durch die Aufs und Abs der Liebe nimmt. Vom heiß brennenden Anfang über das siechende, qualvolle Ende bis hin zu so etwas wie einem Abschluss.
Der Schauspieler kommt dabei mit dem Nötigsten aus: Gitarren, Verstärker, Klavier und Mikrofon. Das Bühnenbild ist spartanisch, eine kleine Transportbox dient als Sitzgelegenheit, das war’s. Mehr braucht es auch nicht für den Abend, bei dem Weber die Beziehung seines Rebellen zu dessen namenloser Geliebten durch Musik lebendig macht. Dabei zupft er live die Akustik- oder E-Gitarre und haut in die Klaviertasten. Bass und Schlagzeug kommen von ihm selbst eingespielt vom Band – im wahrsten Sinne des Wortes eine One-Man-Show.
Die drohende Gefahr, bei Liebesliedern kitschig zu werden, realisiert sich nie. Der Rebell sieht mit Nietengürtel und Rockerkluft nicht nur aus wie einer, sondern wählt seine Playlist auch wie einer. Hier ertönt die schonungslose Wucht der Ärzte oder der Toten Hosen, die Hingabe Rio Reisers und die Leichtigkeit Wandas. Ronan Keating oder Silbermond kann der Rebell nicht brauchen. Liebe ist wild, Liebe lebt – und Liebe tut auch verdammt noch mal weh.
Wie es um das Paar steht, erfährt der Zuhörer auch durch kleine Monologpassagen, die ein Gespräch mit der Herzensdame simulieren. Zu Anfang läuft es perfekt für die beiden: Die ersten Wochen spielen sich nur im Bett ab, nicht einmal zum Essen schälen sich die Verliebten aus den Laken. Mit der gemeinsamen Wohnung schleicht sich der Alltag in die Beziehung, schnell ploppen die ersten Streits auf. Mit jedem Song und jeder Erzählpassage – so allgemein gehalten, dass sich die eigene Erfahrung mit der Liebe aufdrängt – zerbricht der Rebell ein bisschen mehr.
Liebe wird zu Hass, die Wut weicht dem Selbstmitleid – klassisch ertränkt in Suff und Kippen. Seinen Schmerz spielt er sich mit wuchtigen E-Gitarren-Riffs und sanften Klaviertönen von der Seele. Die Sehnsucht frisst ihn auf, Erlösung lässt auf sich warten. Ob sie je kommt? Zum Glück gibt es keine Setlist. Sonst wäre ja die ganze Spannung dahin.
Schwäbisches Tagblatt, 20. Januar 2024
Der Rocker als frustrierter Lover
(von Ulrike Pfeil)
Ein kurzweiliger, nicht zu langer, vielleicht gar paartherapeutischer Abend, ideal zum Verschenken an frisch vermählte wie an frisch getrennte oder sich gerade wieder versöhnende Liebende jeden Alters.
Rockmusiker mögen einsilbig daherkommen, sind aber unrettbare Romantiker. Oder waren es zu der Zeit, als die meisten der Songs entstanden, aus denen LTT-Schauspieler und -Musiker Stephan Weber sein Solo-Programm „Sehnsucht – so’n Liebesding“ gebaut hat, das am Donnerstag am LTT Premiere hatte.
Über Gefühle, so ’ne Dinger, kann der Typ mit dem metallischen Gürtel über den schwarzen Jeans nicht gut reden. Doch wer kann das schon? Kichern im Publikum ließ vermuten, dass die telefonischen Paar-Dialoge – die Frauenstimme wurde aus dem Off eingespielt – hohen Wiedererkennungswert hatten. Besonders jene, die der Trennung folgten. Sie: „Ich trauer um uns.“ Er: „Wer wird hier laut? (Sehr laut:) Ich doch nicht!“
Für Gefühle hat der Musiker die Musik, er kann seinen Kummer, seine Verletztheit an der jaulenden Gitarre rauslassen oder im Balladenton des Songwriters ins Klavier heulen. Weber, der schon in anderen musikalischen Produktionen des LTT auftrat (Jim Morrison, Bob Marley) , erweist sich als versierter Interpret und Instrumentalist, wahlweise mit der akustischen oder einer von drei elektrischen Gitarren, und am Piano, gern mit ein paar schrägen Dissonanzen, damit es nicht kitschig wird. Dass die Stimme manchmal bricht oder ein wenig krächzt, gehört zum Theater.
Songs von den Ärzten, Mr. Big, Ton Steine Scherben und anderen erzählen die eigentliche, unendliche Geschichte von der Liebe und ihrem Scheitern. Mit dem die Liebe ja nicht gleich aufhört. In der szenischen Aufführung kommen die Texte zu ihrem Recht. „Ich möchte am Abend mit dir auf fremden Balkonen sitzen“ (Konstantin Wecker), oder der moderne Gutenachtkuss aus dem Billig-Hotel während einer Tournee: „Mein Handy liegt auf meinem Herzen mit deiner SMS“ (Rainald Grebe). Stolz verweigert sich der klassenbewusste Liebende der bourgeoisen Konsumwelt, besser „verliebt in deinem Bett verhungern“ (Milliarden). Liebe bis zum Tod, ganz oder gar nicht.
Es ist die Frau, die geht. Und der Mann, der nichts versteht. Der jetzt, wo es zu spät ist, die betörenden Liebeslieder singt, die er früher mal hätte anstimmen sollen, wie „More than Words“ von Extreme, mit der zärtlichen Kopf-Schmeichelstimme. Oder im Ösi-Dialekt mit der Gruppe Wanda der Verflossenen nachtritt: „Wann’s b’soffen is, red’s immer nur von mir.“ Hauptsache, es geht um ihn.
Weil Stephan Weber diesen Lover trotz aller glaubwürdigen Emotionalität mit einer feinen Ironie spielt, kommt beim Publikum die Erkenntnis an, die sein Bühnenheld bis zuletzt nicht hat: Die Bedürfnisse der geliebten Frau kümmern ihn herzlich wenig. Spaziergang an den See, ein Radler und im Bett zusammen den Sonnenaufgang betrachten, das ist ein schmales Programm für eine Beziehung auf Dauer. „Den Regenbogen biegen für immer und dich“ tut Rio Reiser auch nur in der Poesie.
Ein kurzweiliger, nicht zu langer, vielleicht gar paartherapeutischer Abend, ideal zum Verschenken an frisch vermählte wie an frisch getrennte oder sich gerade wieder versöhnende Liebende jeden Alters.