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Game-Theater von LTT und NYX
Schwäbisches Tagblatt, 19. Juni 2017
Verstehen, was Theater auch sein kann
(von Monica Brana)
Auf der Flucht vor einem Killervirus durchkämpften am Samstagabend gut 20 Theaterbesucher die Maschinenhalle am Stauwehr und hofften auf Asyl im Staate Diebenga.
The State of Diebenga" ist ein "Game-Theater". Das heißt: Die Zuschauer treten selber in Aktion. Sie gewinnen die Macht, den Spielverlauf mitzubestimmen. In der Maschinenhalle der Stadtwerke am Stauwehr feierte das Kooperationsprojekt Believe Tank des Landestheaters Tübingen und der freien Projektgruppe AKA:NYX am Samstagabend die Premiere des interaktiven Stücks.
Zu Beginn nahmen gut 20 Gäste vor der Maschinenhalle Platz und wurden dem fünfköpfigen "Denker"-Team zugeordnet oder der größeren Gruppe von "Läufern". Getrennt voneinander gingen beide in die Halle. Als erstes bekam man mit einer Art Pistole eine Flüssigkeit ins Gesicht gesprüht, dann nahm man Platz in einem Wartezimmer. Hier verschmolzen Realität und Fiktion für die nächsten 75 Minuten. Fünf Minuten lang erklärten in engelhaftes Weiß gekleidete Wächter der Gruppe ihren Spielverlauf: Weltweit töte ein Virus die Menschen, nur in der Enklave Diebenga sei ein Überleben möglich.
Dank der Gesichtsdusche dekontaminiert, drohte den Spielern vor dem Eintritt ins lebensspendende Paradies allerdings die bürokratische Hürde des AFD (Antragsformular für Diebenga): Fünf Stempel mussten die Spieler sammeln, die sie durch die Erfüllung von fünf Aufgaben verdienten. Die drei mies gelaunten Wächter des "Überlebensmanagements", später in Springerstiefel und kugelsichere Weste gekleidet (abwechselnd Martin Bringmann, Michael Ruchter, Daniel Tille), sicherten die Grenze nach Diebenga. Fünf Neubürger konnten es auf legale Art schaffen. Hier endete der Skriptverlauf, die Details konnten die Spieler gestalten.
(...)
Einige der fasnetsmäßig kostümierten Wartenden wurden aufsässig, legten sich mit den Wärtern an oder machten hinter ihren Masken asthmatische Geräusche (LTT-Intendant Thorsten Weckherlin). Während "Trump Hansel" die Weisen mit "The Night They Drove Old Dixie Down" betörte, bestach eine "traumatisierte Person" die Jury mit leckeren Manna-Schnitten. Sie setzte die Leckereien denn auch als Druckmittel gegen die Weisen ein, damit außer ihr selbst auch alle anderen Läufer nach Diebenga einreisen konnten.
Ein Tumult entstand, als im Hintergrund die fünf Illegalen versuchten, Einlass nach Diebenga zu erhalten und gleichzeitig der Heilige Wilfried mit einem Bauchladen voller Eiscreme erschien und als deus ex machina das Spiel für beendet erklärte. Draußen gab es Sekt und Weckherlin sprach dem Freitheater NYX ein "dickes, fettes Lob" aus, es habe dem unfreien LTT in zweijähriger Zusammenarbeit "die Augen geöffnet", was Theater auch sein kann.