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Schauspiel mit Musik von Kay Pollak
Reutlinger Nachrichten, 30. September 2015
(von Kathrin Kipp)
Musik als Befreiungstheologie: Zur Spielzeiteröffnung geht das Landestheater Tübingen (LTT) steil in Richtung Paradies - mit der kuscheligen Tragikomödie "Wie im Himmel" des schwedischen Autors Kay Pollak.
Das LTT geht in die zweite Saison unter Intendant Thorsten Weckherlin. Das Stück zum Auftakt heißt "Wie im Himmel" und erzählt von der gemeinschaftsstiftenden Kraft der Musik. Der gefeierte Stardirigent Daniel Daréus erleidet in der harten, kalten und leistungsorientierten Musikwelt einen Herzinfarkt. Er zieht sich zurück in sein altes Heimatdorf, wo er nach einigem Zögern den Kirchenchor übernimmt, um dort die echte, wahre Urmusik zu finden. Bei den angeblich einfachen, schlichten Dorfseelen, die aber ihrerseits jede Menge seelischen Päckchen zu tragen haben.
Und so trifft hier der unvollkommene Mensch auf die göttliche Musik. In einer leicht kitschigen Mischung aus Gesang, Gefühl und Tragik, in der es um lebensentscheidende Veränderungen geht und darum, welche (musikalische) Energie es dazu braucht.
Vielleicht darf man zu einer Spielzeiteröffnung ja schon auch mal dicke auf die Emo-Tube drücken, zumal derzeit ja ganz Deutschland seine Gefühle entdeckt. Die Premiere jedenfalls kam sehr gut an beim Publikum, vor allem wegen des formidablen Chor-Gesangs.Kay Pollak hat seine Geschichte 2005 mit einem goldigen Ensemble ganz sympathisch verfilmt, und auch die Landestheater-Version unter der Regie von Christoph Roos hält sich, was Pathos und Sentimentalität angelangt, redlich zurück.
Sie konzentriert sich ganz aufs Schauspiel und die Magie der Gesangskunst, auch wenn zunächst gar nicht mal allzu viel gesungen wird. Vermutlich, um am Ende das Publikum so richtig unter die klangliche Bombastik-Dusche zu schicken: Denn da tun sich im LTT-Saal plötzlich allumfassend himmlische Engelschöre auf, die das Publikum gesanglich gehörig einseifen. Hach. Das LTT hat für die High-End-Hymne eigens einen Bürgerchor formiert: "Vereine alle Menschen und versöhne, was sich getrennt, im Wohllaut deiner Töne." Mozart. Brutal.
Aber wenn das ganze Stück über die vollkommene Musik, die menschliche Urstimme, das transzendentale Zuhören und das spirituelle Einswerden mit dem Klanguniversum diskutiert wird, muss man am Ende auch entsprechend auffahren. Daniel (Martin Bringmann) will mit seiner Musik schließlich "die Herzen berühren".
Musik kann ja ähnlich emotionslösende Wirkung haben wie Drogen. Und das erkennt auch Stig, der Dorfpfarrer (Rolf Kindermann), der deshalb massiv gegen seinen neuen Gegenspieler intrigiert.
Seine Schäfchen konvertieren alle in Richtung Chor. Da hilft auch alles geistige Blättern zwischen Pornoheft und Sündenkatalog nicht - Stig mutiert immer mehr zur verbohrten, neidischen, boshaften Spaßbremse, während sich die anderen über die chorische Psycho-, Körper-, Musik- und Atemtherapie zunehmend selbst entdecken und befreien und verändern und immer beseelter durch den Gemeindesaal lächeln.
Auch bei dem Säufer und Schläger Conny (Daniel Tille) kommen das neue Selbstbewusstsein und die plötzliche Widerstandskraft seiner Frau Gabriella (Franziska Beyer) nicht allzu gut an. Er versucht mit Gewalt zu töten, was der Chor bei seiner Frau alles so freigesetzt hat.
Ein wenig bleibt es in der Schwebe, was diese ganze Sozialpädagogik auslöst: Ist es die Kraft des gemeinsamen Singens oder das Charisma des neuen Chorleiters, in den natürlich sofort alle verknallt sind, selbst die verdruckste Moralschwester Siv (Laura Sauer).
Im LTT ist es dann eher die Kraft der Musik, denn Martin Bringmann als Daniel hält sich eher im Hintergrund, lässt vieles einfach so geschehen und scheint nicht so recht entscheiden zu wollen, wer oder wo er überhaupt sein will. Einerseits will er endlich weg vom autokratischen Dirigentenstil, andererseits sehen ihn die andern als Messias, der das bisher unterdrückte Glück per Sing-Yoga ans Tageslicht bringen soll.
Oder eben als ketzerischer Störenfried, der das festgefahrene Sozialgefüge ins Wanken bringt und bisherige Profiteure zu Verlierern macht. Jedenfalls taugt der eher kraft- und farblose Daniel im Stück wunderbar als allgemeine Projektionsfläche. Und eher blass bleibt deshalb vielleicht auch die Fläche im Hintergrund der Bühne von Anja Ackermann, die ansonsten durch die Wand des Gemeindesaals einen veritablen Riss gezogen hat.
Hier ist wieder einmal eine kleine Welt aus den Fugen geraten. Von nichts erschüttern wiederum lässt sich der großmäulige, ambitionierte und nicht gerade zartfühlige Import-Export-Cowboy Arne (Andreas Guglielmetti), der die Truppe sogar bis zum großen Chorwettbewerb in Wien bringt.
Lena (Carolin Schupa), die gute, aber ebenfalls leicht angekratzte Seele des Dorfes, erfährt durch Daniel die echte und wahre Liebe, wie auch der ewig gehänselte Holmfried (Patrick Schnicke) und der unauffällige Erik (Lukas Umlauft) ihre Liebe zueinander entdecken, die wiederum von Pfarrfrau Inger (Sabine Weithöner) so langsam aber sicher an den Nagel gehängt wird.
Auch der behinderte Tore (Michael Ruchter) findet bald seinen inneren Ton. Und so schaffen sie es, mit ihrem herzallerliebsten, rührenden, so kräftig wie lieblichen Gesang (Musikalische Leitung: Frank Schlichter) das Publikum zu sehr, sehr viel Applaus zu bewegen.
Schwäbisches Tagblatt, 28. September 2015
Die wundersame Stimmenvermehrung
(von Peter Ertle)
Jeder sich selbst und alle zusammen: Am LTT wurde Kay Pollaks Film "Wie im Himmel" auf die Bühne gebracht
Braucht es Bühnenumsetzungen bekannter Kinofilme? Nein. Zieht aber Publikum. Ist nett gemacht, unterhaltsam. Hat eine gute Botschaft. Und ein beeindruckendes Ende. Sucht den Brückenschlag zu den Chören der Stadt. Das könnte gelungen sein.
Die Bühne ist dunkel. Aus dem Lautsprecher kommen Pausenhofgeräusche. "Daniel muss üben, sonst wird Mama böse!" Dann Orchestermusik. Einer schreit "Stopp! Aus!" Es ist der Dirigent Daniel Dareus vor seinem Orchester.
So können Ortswechsel funktionieren. Ja, man muss sich zu helfen wissen, wenn man einen Film zum Theaterstück wandelt und keine große Vorgeschichte erzählen kann.
Oder so: Der Dirigent erleidet bei einem großen Sinfoniekonzert einen Herzinfarkt, krümmt sich auf dem Boden. Da kommen auf der anderen Bühnenseite schon die Chormitglieder aus jenem Dorf, in das er sich Monate später zurückziehen wird.
Anja Ackermann hat dem Dorfchor ein wenig hinter dem Stand der Zeit und dem Chic der Stadt gebliebene Outfits verpasst, immer die jeweilige Persönlichkeit verlängernd, vom hemdsärmelig aufschneidenden Autohändler bis zur moralinsauren Jungfer - aber doch nie so, dass die Klamotten das Ganze auch zur Klamotte machen, eine feine Gratwanderung. So ist es auch mit dem Spiel der Akteure, die immer wieder komödiantisches Talent beweisen und einige Lacher einheimsen. Insgesamt siedelt das irgendwo zwischen Typenkomödie und psychologischem Realismus, heraus kommt, sagen wir: Bullerbürealismus für Erwachsene. Hier die Frau, die von ihrem Mann verprügelt wird, dort der verklemmte Pfarrer, hier der Dorfkretin, dort das vermeintliche Flittchen.
Und nun eben der Künstler, der Guru, der hier neu aufschlägt, ein Stück weite Welt ins Dorf bringt, New Age ins Old Village, dem Pfarrer ist das Sodom und Gomorrha und tatsächlich zieht es den Choristen zumindest die Schuhe aus, sogar die Socken. Etwas ungeheuer sind ihnen die Trainingsmethoden des Herrn Künstlers anfänglich schon. So sehr, dass die zum Zwecke schlussendlicher Stimmverbesserung verschlungen hinchoreographierten Leiber - "Wann singen wir denn endlich?" - beim Gedanken an einen jetzt zufällig hereinstolpernden Dorfbewohner einem kollektiv hochnotpeinlichen Lachanfall erliegen. Eine der gelungensten Szenen. Ach, und wer ein Beispiel haben möchte für die Konsequenz, mit der hier gespielt wird, der achte einfach mal auf die krampfig eingerollten Zehen Sivs in eben dieser Szene: Laura Sauer, von Kopf bis Fuß in ihrer Rolle.
Das gilt erst recht für Michael Ruchters Dorfkretin Tore. Und für Daniel Tilles Wüterich Conny, dessen Erscheinen auf der Bühne die Zuschauer reihenweise zu Schreckensseufzern wie "Oh je" oder "Au weia" veranlasst. Rolf Kindermann gibt Pfarrer Stig mit größtem, ernstem Realismus, eine Tragödengestalt. Große Klasse! So abwegig und verbohrt Stigs Haltung auch sein mag: Sein Schicksal packt einen. Dass seine Frau ihn verlässt - aber möglicherweise nicht endgültig, diese Dialektik ist eine nachvollziehbare Konzession, und so konsequent wie die Entschiedenheit, mit der Gabriella ihrem zu spät reuigen Conny den Laufpass gibt - forever. Ja, Ungeheuerliches stiftet dieser Guru: Frauen verlassen ihre Männer, Männer (genauer gesagt Lukas Umlaufts Erik) haben ein Comingout, geistig Behinderte dürfen plötzlich mitsingen, ein ewig Gehänselter wagt den Aufstand, eine Gruppe besinnt sich zum erstenmal auf Zivilcourage, eliminiert einen Schläger und negiert den Beschluss des Kirchenrats, kurz: eine große Selbstfindungs-, Emanzipations-, und Inklusionssause aus dem Geiste der Musik und der Menschenliebe bricht sich Bahn. (...)
Martin Bringmanns Dareus ringt und kämpft wacker mit schöner Mischung aus Nervosität, Müdigkeit und Enthusiasmus - aber eben, er ringt - letztlich etwas zu angestrengt für die angestrebte Aura. Bei Andreas Guglielmetti lachen manche Zuschauer schon, wenn er zum erstenmal auf die Bühne kommt, ein Fluch in Form eines Kompliments. Inger (Sabine Weithöner), Gabriella (Franziska Beyer) und Lena (Carolin Schupa) wirken realistischer als die Typengalerie der anderen Figuren: Schöne Rollen, gutes Schauspiel. Und Patrick Schnicke hat sich für seinen Holmfried um die Hüften und am Klavier richtig was drauf geschafft.
Was ist nun aber der bleibende Eindruck dieses Stücks? Keine Frage: Der Bürgerchor (Chorleiter: Frank Schlichter) am Ende! Das Ansteckungsphänomen der wundersamen Stimmvermehrung funktioniert wie die wundersame Brotvermehrung: Wenn nur alle zusammenwirken und dabei jeder sein eigen Teil einbringt - um die Message dieses Stücks mal ganz grob runterzubrechen. Auch das LTT möchte mit diesem Stück seiner Stimme in Tübingen mehr Gewicht verleihen, indem es sich mit den Stimmen der Bürger vereint. Wenn die Chöre dieser Stadt, aus der sich dieser Bürgerchor rekrutiert, sagen: "Das sind wir. Wir sind also auch das LTT" - ist dieser Multiplikatoren-Plan gelungen. (...)
Reutlinger General-Anzeiger, 28. September 2015
(von Heiko Rebmann)
Großes Kino im Tübinger Landestheater: Kay Pollaks wunderbarer Film »Wie im Himmel« feierte am Freitagabend in Jana Hallbergs Theaterfassung Premiere. Daniel Daréus, berühmter Dirigent, zieht sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere in sein schwedisches Heimatdorf zurück, weil er glaubt, die Menschen mit seiner Musik nicht mehr zu erreichen. Erst viel später zeigt sich, woran er gescheitert ist: „Schon als kleiner Junge hatte ich einen Traum: Ich wollte Musik machen, die die Herzen der Menschen öffnet. Was mich gehindert hat, war meine Unfähigkeit zu lieben.“
Doch in dem Moment, in dem er sich aus dem Leben zurückziehen will, kommt das Leben auf ihn zu, in Form der einfachen Leute des Kirchenchores. Hemdsärmelig lädt ihn Arne (Andreas Guglielmetti) ein, »doch mal zuzuhören«, kokett umschmeichelt ihn die schöne Lena – und unversehens findet sich der weltberühmte Dirigent in der Rolle eines einfachen Chorleiters wieder, sehr zum Erstaunen des Dorfpfarrers Stig.
Ohne es anfangs zu wollen, öffnet er mit seiner unkonventionellen Art die Herzen der Menschen. „Alles beginnt mit dem Zuhören. Stellt euch vor, dass alle Musik schon vorhanden ist. Es geht nur darum zuzuhören und bereit zu sein, sie von dort oben herunterzuholen.“
Verdrängtes bricht hervor
Verdrängte Sehnsüchte brechen hervor und verschüttete Konflikte. Wie ein Katalysator bringt die Musik in Bewegung, was bisher in den Seelen der Menschen verborgen war. Am Ende wird sie für die einen zur existenzvernichtenden Bedrohung und für die anderen der Weg zu Liebe und Transzendenz, womit sich Kay Pollak als später Nachfahre der deutschen Romantik und der Psychoanalyse erweist.
Martin Bringmann stellt den menschenscheuen Dirigenten als nervösen Fremdling dar, der in den Proben mit seinem Laienchor verbissen nach der wahren Musik sucht. Nur selten ist zu spüren dass, in dieser rauen Schale eigentlich ein ganz weicher Kern steckt.
Wie ein übermütiges Fohlen stolpert Carolin Schupas Lena in sein Leben, kokett, neckisch, ein aufgedrehtes Girlie, das mit seinen vielen Affären nur die Enttäuschung über eine gescheiterte Liebe unterdrückt. In ihrer wunderbar ausdrucksreichen Mimik spiegelt sich die ganze Palette menschlicher Gefühle von Zuneigung bis Wut.
Rolf Kindermann gibt den Dorfpfarrer Stig Berggren als verklemmten Moralapostel, als ein armes Würstchen, das sich nicht öffnen kann und am Ende nicht nur die Contenance, sondern auch seine Frau verliert. Sabine Weithöner strahlt als dessen Frau Inger echte Größe aus. Bei einer Feier des Chores bricht die ganze unterdrückte Lebensfreude aus ihr heraus. Als ihr Mann sie für diese »Sünde« zur Rede stellt, sagt sie ihm ruhig und würdevoll seine Scheinheiligkeit auf den Kopf zu.
Wie ein geprügelter Hund huscht Franziska Beyers Gabriella über die Bühne, wie ein enthemmter Schläger ihr eifersüchtiger Mann Conny (Daniel Tille). Laura Sauer spielt mit korrekt gebügelter Bluse und verkniffenem Lächeln die Altjungfer Siv, die Lenas Erfolg bei den Männern immer weniger ertragen kann und am Ende nach vielen Protesten dem Chor dennoch treu bleibt.
Überraschendes Geständnis
Erik (Lukas Umlauft) bleibt als blasser, schüchterner Junge im Hintergrund, bis er schließlich die Bombe platzen lässt, als er zugibt, dass er schon immer den Klavierstimmer Holmfrid (Patrick Schnicke) geliebt hat. Der ist erst überrascht, trägt es dann aber mit Fassung. Erst als er von Arne gehänselt wird, bricht die seit seiner Schulzeit unterdrückte Wut aus ihm heraus: »Fettsack, Zuckerschlucker – die ganze Schulzeit war die Hölle für mich!« Seine Stimme zittert vor Wut und gleichzeitig weint er fast. Eine ganz besondere schauspielerische Leistung erbringt auch Michael Ruchter, der die Verkrampfungen des Spastikers Tore täuschend echt spielt.
Bemerkenswert ist ebenfalls die musikalische Leistung des Ensembles, das die Lieder des Stückes mit eindrucksvoller stimmlicher Qualität vorträgt.
Christoph Roos gelingt eine stringente Inszenierung, die sich eng an die Vorlage des Filmes hält und die Engführung von Musik, Liebe und Transzendenz immer wieder aufleuchten lässt. Anja Ackermann ist mit ihrem Bühnenbild den entgegengesetzten Weg gegangen und hat gar nicht erst versucht, die beeindruckenden Naturaufnahmen des Filmes aufzugreifen. Stattdessen lässt sie mit einer Bühne auf der Bühne und einer ebenso klaren wie sparsamen Ausstattung der Fantasie der Zuschauer viel Spielraum.
Schwarzwälder Bote, 28. September 2015
Inszenierung schöpft aus der Kraft der Musik
(von Christoph Holbein)
„Wie im Himmel“ überzeugt am LTT durch eine kompakte und aussagekräftige Ensemble-Leistung und starke Bilder
Es birgt ein gewisses Risiko und ist eine Herausforderung, eine Vorlage, die als Film Erfolge gefeiert und Preise gesammelt hat, adäquat und authentisch auf die Bühne zu bringen, ohne etwas von der atmosphärischen Dichte zu verlieren. Regisseur Christoph Roos ist das mit seiner Inszenierung des Schauspiels mit Musik „Wie im Himmel“ von Kay Pollak am Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT) beeindruckend und äußerst berührend gelungen.
Auf der Bühne, die mit ihrem Klavier und ein paar Stühlen den Proberaum eines Kirchenchors manifestiert, entwickelt sich ein Kammerspiel der Gefühle, das untermalt ist mit leisem Humor. Die Protagonisten sind in ihren Eigenarten und Charakteren sensibel gezeichnet und von den Schauspielern ohne Abstriche treffend interpretiert – alles umfasst von der Musik, welche die zentrale Rolle in dem Stück spielt und als Ausdruck von Liebe verdrängte Sehnsüchte und Träume, aber auch alte Verletzungen und Konflikte zurück an die Oberfläche bringt.
Roos erzählt dabei mit kleinen, immer wieder auch ironischen Details, gibt seinen Schauspielern viel Raum, ihre Figuren mit Leben zu füllen, ihnen Persönlichkeit einzuhauchen. Die Dialoge sitzen. Das Spiel ist amüsant, fröhlich, lebensfroh und vital mit kraftvollen Szenen und offenbart die tiefen Abgründe, die sich hinter der friedlichen Fassade auftun – in der Bandbreite von Brutalität und offener Gewalt, von Engstirnigkeit, Bigotterie und Pharisäertum. Da brechen die Gefühle heraus, treten schonungslos die Verletzungen zutage, explodieren die Konflikte, die bisher unter den Teppich gekehrt waren. Und wieder hilft die Musik, emotional und gefühlsintensiv: »Ich will wissen, dass ich wertvoll bin, will fühlen, dass ich stets geliebt bin«, singt Franziska Beyer als Gabriella und erzeugt damit Solidarität und Zusammenstehen. Diese Emotionalität überträgt sich aufs Publikum, rührt an. Manche Träne fließt. Die Zuschauer nehmen die Stimmung auf und verweben sich mit dem Geschehen auf der Bühne.
Dort offeriert das Ensemble mit Engagement und innerer Ehrlichkeit in einer harmonischen Kompaktheit ein offenes und frisches Spiel, das viel Intimität und Sensibilität zulässt, fein unterstrichen durch den A-Capella-Gesang der Schauspieler. Und dann stimmt als überraschendes Moment der Chor aus 32 Sängern, der unerkannt im Publikum verteilt gesessen hatte, mit ein, greift die Musik auf und kommt auf die Bühne. Spätestens jetzt ergreift die Innerlichkeit und Intensität die Zuschauer, und im Choral wird die musikalische Botschaft überdeutlich: »Vereine alle Menschen und versöhne im Wohllaut aller deiner Töne.« Lang anhaltender Applaus ist Ausdruck, dass Spiel und Botschaft angekommen sind.