Eine ernste Science-Fiction Komödie von Sibylle Berg · 14+
Schwarzwälder Bote, 11. Dezember 2024
„Es braucht den Menschen nicht mehr“
(von Christoph Holbein)
In der Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) haben Roboter das Sagen. Eindrücklich und intensiv bringt das Regisseur Sascha Flocken in der Werkstatt des Landestheaters Tübingen (LTT) auf die Bühne.
Reutlinger General-Anzeiger, 3. Dezember 2024
(von Christoph B. Ströhle)
Bitterböser und komischer Abgesang: Sibylle Bergs Dystopie »Wonderland Ave.« am Landestheater Tübingen
Ein wunderbar pointiertes, lebendiges Zusammenspiel
Schwäbisches Tagblatt, 3. Dezember 2024
Der Horror in der Wellness-Oase
(von Dorothee Hermann)
Mit „Wonderland Ave.“ von Sibylle Berg gelingt dem Landestheater Tübingen eine zugleich absurd komische und beklemmende Expedition zu den Abgründen und Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Roboter.
Cul-Tu-Re.de, 1. Dezember 2024
(von Martin Bernklau)
Rauschender Beifall und zahllose Vorhänge bei der Premiere. Das Stück lohnt sich.
Die Deutsche Bühne, 1. Dezember 2024
(von Manfred Jahnke)
Sascha Flocken inszeniert am Landestheater Tübingen eine Dystopie mit bedrohlichem Maschinenchor und verliert trotz düsterer Materie nicht die Leichtigkeit.
In „Wonderland Ave.“ von Sybille Berg, 2018 in Köln uraufgeführt, steht eine „Person“ im Mittelpunkt, die sich in einem Nirgendwo wiederfindet – ohne soziale Beziehungen, allein auf Wettbewerb und Selbstoptimierung getrimmt. Was Berg zeichnet, ist eine Welt, die von Computern und KI gesteuert wird. In seiner Konzeption für das Landestheater Tübingen lässt der Regisseur Sascha Flocken eine Frau und einen dreiköpfigen Maschinenchor gegeneinander antreten. Ein aufgebocktes Bett markiert die Mitte der Bühne, die von einem weißen Horizont nach hinten abgeschlossen wird, an zwei Stellen lässt sich ein Durchgang hochziehen, verbunden mit grellem Licht (Bühnenbild: Lara Schiek).
Zu Beginn erscheint der Maschinenchor nur schemenhaft hinter dem Vorhang, dafür mit überlebensgroßen Gesichtern als Avatare der Maschinenmenschen auf den Vorhang projiziert (Finn Bühr hat starke Videos gemacht). Ihre Stimmen sind technisch verzerrt: Eine Maschine versucht, eine widerstrebende müde Frau zu wecken, damit sie zum Wettkampf antreten kann. Der Preis ist das perfekte Leben. Sabine Weithöner spielt diese Frau in einem blauen Schlafanzug mit Fischen und Delfinen (Kostüme ebenfalls Lara Schiek), genervt, um sich dann doch den Einflüsterungen des Chores zu ergeben und mitzutun.
Übernahme der Maschinen
Flocken entwickelt in seiner Inszenierung Dynamik, die daraus entsteht, dass die „Person“ Rückfälle hat. Sie erinnert sich, dass einmal eine andere Welt gewesen ist, bevor die Maschinen kamen und Arbeit und Lohn verschwand. Es gab Freunde, die nach „Afrika“ verschwanden und von denen nie wieder etwas zu hören war. Es gab eine Mutter, die sich nicht mehr meldet. Mit jeder Erinnerung erzwingt die „Person“ eine Gegenreaktion des Chores, der sie auf ein Stück grünen Kunstrasen zum Laufen schickt, ihr schließlich Boxhandschuhe anzieht und sie in einem erbitterten Kampf auf ihr altes Imago eindrischt. Selbst nach dem Hilferuf einer direkten Ansprache an das Publikum wird sie vom Chor, der ihr nun körperlich sehr nahekommt, wieder in die Gegenwart einer Preisverleihung zurückgeholt.
Weithöner spielt das Erwachen aus der anfänglichen Lethargie hin zum Wutausbruch groß aus. Sie schaut sich dabei selbst staunend zu. Diese Dynamik zeichnet sich auch in den Kostümen ab: Vom blauen Schlafanzug geht es über einen engen Sportdress hin zu einem langen weißen Schlafkleid (oder Totenkleid). Der Chor – Insa Jebens, Lucas Riedle und Rosalba Salomon – trägt weiße Hosen und gerippte Hemden aus Schaumstoff in dezenten Pastelltönen wie Orange, Lila oder Türkis. Die Ärmel sind ebenso wie ein Schlauch um den Bauch mit vielen bunten Kugeln gefüllt: Das gibt ihnen einen fröhlich schimmernden Touch, verstärkt noch dadurch, dass sie, sobald die Bühne betreten, ihren natürlichen Ton wieder gewinnen. Ihr Auftreten wirkt gefährlich, indem ihr Spiel etwas Aasiges anhaftet, unterstützt durch eine aggressive Händegestik: gefährliche Manipulatoren, die sich anschicken, die Welt von den Menschen zu säubern.
Leichtigkeit und Dystopie
Vom Verschwinden der Menschheit zu berichten, wirkt dystopisch. Die Inszenierung von Sascha Flocken mit ihrer genauen Choreografie zeichnet sich hingegen durch Leichtigkeit aus. Fein arbeitet er die dem Text von Sybille Berg immanente Komik heraus. Zusammen mit den eher pastellfarbenen Projektionen von Wassertropfen und Landschaften von Finn Bühr, sowie den von Jan Paul Werge geschaffenen Sounds ist eine Aufführung entstanden, die so spannend wie unterhaltsam ist. Und dabei genau in ihren kleinen Anspielungen auf die Geschichte des Computers ist. So wird eindrücklich leise „Daisy Bell“ gesungen, 1892 entstanden, 1961 als erstes Lied in einem Computer gespeichert und 2001 in Stanley Kubriks Busterfilm „Odyssee im Weltraum“ benutzt, Spielsituation und Geschichte des KI auf unterhaltsame Weise zusammengebracht.