Eine ernste Science-Fiction Komödie von Sibylle Berg · 14+
Schwarzwälder Bote, 11. Dezember 2024
„Es braucht den Menschen nicht mehr“
(von Christoph Holbein)
In der Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) haben Roboter das Sagen. Eindrücklich und intensiv bringt das Regisseur Sascha Flocken in der Werkstatt des Landestheaters Tübingen (LTT) auf die Bühne.
„Wonderland Avenue“ ist ein spezieller Ort, eine Mischung aus Gefängnis, Wellnesshotel und Freizeitanlage: Diese räumliche Enge unterstreicht Lara Schiek, die auch die passend-charakteristischen Kostüme kreiert hat, mit ihrem Bühnenbild, das in seinem Gardinen-Halbrund der Protagonistin keine Fluchtmöglichkeit lässt. Untermalt mit Musik und Sound – dafür ist Jan Paul Werge verantwortlich – schöpft die Inszenierung mit Video-Einspielungen – aufbereitet von Finn Bühr - theatertechnisch aus dem Vollen. Die Maschinen – sie haben die Macht übernommen – agieren im Chor: Insa Jebens, Lucas Riedle und ganz besonders stark in ihrer Interpretation Rosalba Salomon spielen bestens synchron mit aussagekräftiger Mimik und Gestik und einer authentischen Körperlichkeit. Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas – das jetzt ausgesonderte und wertlose „Humankapital“ ist an dem Ort kaserniert und wird voll betreut und von Automaten penibel überwacht – entbehrt das Stück in der LTT-Aufführung nicht eines gewissen leisen Humors, etwa, wenn der Stuhlgang der Probandin genaustens geprüft wird.
Gut artikuliert seitens der Protagonisten und dynamisch in der Gestaltung offenbart die Tübinger Inszenierung einen „heiter-melancholischen Abgesang“ auf die gegenwärtige Lebens- und Arbeitswelt und warnt vor den Gefahren einer entfesselten KI. Diese Aussichtslosigkeit und das Eingesperrt sein zelebriert Sabine Weithöner voller Energie und fein ziselierter Dramatik in ihrer Rolle als Person. Total überwacht – Kalorienzahl, Schlafdauer – alles ist geregelt in der „Wonderland Avenue“ - und begleitet vom Grimassen artigen Dauerlächeln der Maschinen bleibt dem Menschen - über seine Wünsche sinnierend und in Grundsatzfragen vor sich hin philosophierend – nur, sich dem Gefangensein zu ergeben.
Regisseur Flocken packt das in starke Bilder und gibt dabei auch stillen Szenen innerer Verzweiflung Raum, die Sabine Weithöner intensiv ausspielt, emotional glaubwürdig und immer wieder konterkariert durch den kongenial agierenden Maschinen-Chor in seiner punktgenauen Choreografie. Das Ensemble offeriert dabei eine adäquate unterschiedliche Tonalität und absolut souveräne Darstellung – unterstützt vom aussagekräftigen Text der Science-Fiction-Komödie. Hineingeschickt in die sinnfreien Wettbewerbe der Personen gegeneinander kristallisiert sich das Fazit dieser schönen neuen Welt heraus: „Es braucht den Menschen nicht mehr.“ Der darf hinüber wandeln in den „perfekten Zustand“, das „perfekte Dasein“, was das auch immer in seiner Ungewissheit bedeuten soll: eine erschreckende Vision - dargeboten in einer überzeugenden und energiegeladenen glaubwürdigen Inszenierung.
Reutlinger General-Anzeiger, 3. Dezember 2024
(von Christoph B. Ströhle)
Bitterböser und komischer Abgesang: Sibylle Bergs Dystopie »Wonderland Ave.« am Landestheater Tübingen
Ein wunderbar pointiertes, lebendiges Zusammenspiel
Schwäbisches Tagblatt, 3. Dezember 2024
Der Horror in der Wellness-Oase
(von Dorothee Hermann)
Mit „Wonderland Ave.“ von Sibylle Berg gelingt dem Landestheater Tübingen eine zugleich absurd komische und beklemmende Expedition zu den Abgründen und Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Roboter.
Cul-Tu-Re.de, 1. Dezember 2024
(von Martin Bernklau)
Rauschender Beifall und zahllose Vorhänge bei der Premiere. Das Stück lohnt sich.
Die Deutsche Bühne, 1. Dezember 2024
(von Manfred Jahnke)
Sascha Flocken inszeniert am Landestheater Tübingen eine Dystopie mit bedrohlichem Maschinenchor und verliert trotz düsterer Materie nicht die Leichtigkeit.