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Stückentwicklung der Jungen Szene
Uraufführung
Schwäbisches Tagblatt, 14. Juni 2023
(von Andreas Straub)
Die Junge Szene des LTT zeigte im Stück „wyld and classy“ wie wenig klassische Dramen zum heutigen Zeitgeist passen.
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Für die 15 Jugendlichen als Gruppe junger Museumsbesucher wurde der Kanon der Theaterliteratur und die „Ausstellung der Klassiker“ von Hamlet, Tartuffe, Kabale und Liebe und Woyzeck zum ambivalenten Untersuchungsgegenstand. Sie erforschten die als besonders wertvoll geltenden Werke und deren Autoren und klopften ihre Geschichten auf das Verhältnis zur Gegenwart ab. So werden Frauen zum Beispiel von Goethe oft als junge, fromme Mädchen dargestellt, unsterblich verliebt etwa in Faust. Er ist 50, sie 14. Auch in anderen Stücken gibt es häufig nur eine Frau. Und deren Thema ist oft nur der Mann. Auf eine der Holzbänke gestellt, riefen vier der Jugendlichen, dass sie interessieren würde, was die Frauen gerne lesen, welche Musik sie hören und was sie über Rassismus denken.
Wenn sie Reclam-Hefte durchsuchen, fällt auf, dass Kinder und Eltern sich bei Kleist selten auf Augenhöhe begegnen und auch Hamlet die Gefühle seiner Mutter gegenüber nicht gerade respektvoll zum Ausdruck bringt. Standesunterschiede werden in den Dialogen beispielsweise des Zerbrochnen Krugs von Kleist deutlich. Motive werden bewahrt, verworfen, wiederholt, umgedeutet, über- und fortgeschrieben. Dabei bekommt auch das Theater selbst sein Fett weg. Ist es ein Ort für Senioren, zwangsweise dorthin geschleifte Schülergruppen und Leute, die sonst nichts zu tun haben? Ein Platz für Kunstbegeisterte, oder zumindest jene, die so erscheinen wollen? Jedenfalls haben viele Leute ein schlechtes Gewissen, wenn sie den Inhalt von Klassikern nicht kennen. Dabei sind diese, nach der erkennbaren Auffassung des jungen Ensembles, in vielerlei Hinsicht aus der Zeit gefallen. Amüsant brachten die Jugendlichen das als „Chor der alten Säcke“ zum Ausdruck. Sie tanzten zur Melodie von Barbie-Girl und wechselten von Lichteffekten und Bässen wie in einem Club wieder zu Schiller. Die „Junge Szene“ versuchte Klassiker neu zu kuratieren und mit deren Figuren Platz zwischen den Zeilen zu schaffen. Ein interessantes Experiment mit einem großen Schuss Moral, aber auch einigem Humor, das beim Publikum gut ankam.